Der Fall Khashoggi schadet der saudischen Außenpolitik

Neues vom Splatterprinzen

Die Mordaffäre um den saudischen Oppositionellen Jamal Khashoggi schadet vor allem den außenpolitischen Plänen des saudischen Kronprinzen.
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Man hat es schon geahnt: Splatterfilme spiegeln bloß die Realität wider. Der führende Killer setzt sich beim Zersägen seines noch ­lebenden Opfers Kopfhörer auf, um Musik zu hören, und empfiehlt seinen untergebenen Schergen, »bei solchen Jobs« ebenso zu verfahren. Welche Musik der saudische Profikiller im Dienste des Kronprinzen Mohammed bin Salman bei der Arbeit hörte, ist nicht ­bekannt. Eine solche Szene soll sich der türkischen Regierung zufolge am 2. Oktober im saudischen Konsulat in Istanbul abgespielt ­haben, als Jamal Khashoggi dort ermordet wurde. Verspricht nun der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan vor Publikum, die »nackte Wahrheit« über den Mord an dem saudischen Journalisten und Oppositionellen auszusprechen, ohne aber neue Details zu ­offenbaren, ahnt man, dass es dem Präsidenten noch um anderes geht. Erdoğan will den Preis hochtreiben, den die USA und Saudi-Arabien wohl auch bezahlen werden, um zumindest die schlimmsten Details der Mordaffäre vorerst nicht veröffentlicht zu sehen.

Es ist wahrlich nicht der erste Mord in staatlichem Auftrag an Oppositionellen im Nahen Osten, doch die Gewalt, die Skrupel­losigkeit und die Dumpfheit der Mordbehörden sind noch nie so publikumswirksam öffentlich geworden. Bislang fehlten auch die mächtigen Interessenten, die für eine solche Veröffentlichung sorgen konnten. Dem türkischen Präsidenten kommt das Ganze nun sehr gelegen. Er hat schnell noch den US-amerikanischen Prediger Andrew Brunson freigelassen, den er sich als Staatsgeisel gehalten hat, und kann nun den US-Präsidenten Donald Trump, der vorher mit dem des saudischen Kronprinzen ganz auf einer Linie lag, die türkischen Nahostpläne abnicken lassen. Das wird Auswirkungen auf die Lage in Syrien haben sowie auf den Golf: Die Türkei hat ­bereits mit Katar einen Vertrag über militärische Kooperation ­geschlossen und wird demnächst auch in Kuwait militärisch präsent sein – die gerade beendeten kuwaitischen Verhandlungen mit der Türkei haben sich recht eindeutig gegen das Machtgebaren des saudischen Kronprinzen gerichtet.

Für die außenpolitischen Ambitionen des künftigen saudischen Diktators Mohammed bin Salman ist die Mordaffäre ein Problem – man dürfte ihm den Auftrag zum Mord an Khashoggi noch direkt zuordnen können. Von der Queen wird der Kronprinz wohl nicht mehr empfangen werden, und deutsche Waffenlieferungen werden sich in Zukunft etwas verzögern. Saudi-Arabien hat schon angefangen, Blutgeld zu zahlen. Am selben Tag, als US-Außenminister Mike Pompeo in Riad landete, überwiesen die Saudis 100 Millionen ­US-Dollar Hilfsgelder an die USA für Gebiete in Syrien, die von arabisch-kurdischen Truppen kontrolliert werden, die die Anti-IS-­Koalition unter Führung der USA unterstützen.

Salmans hochfliegende Pläne sind gescheitert: Der Krieg im Jemen ist eine Katastrophe ohne Ende, Katar hat seinen Drohungen und dem saudischen Boykott widerstanden, bis auf die Emirate sind die anderen Mitglieder des Golfkooperationsrats auf deutliche Distanz ­zu ihm gegangen und nun wird auch noch sein Konkurrent Erdoğan im Westen wieder hofiert. Zur am Dienstag begonnenen Investorenkonferenz in Riad gab es reihenweise Absagen, selbst der Vorstandsvorsitzende von Siemens, Joe Kaeser, kam nicht. Selten dürfte ein Staat so viel Geld für nutzlose PR verpulvert haben.

Die Stellung des Kronprinzen dürfte vorerst nicht gefährdet sein, dafür hat er zu konsequent die saudische Führungsschicht und konkurrierende Familienzweige entmachtet. Eher dürfte mit dem Scheitern von Salmans großen innen- und außenpolitischen Plänen die Stagnation in Saudi-Arabien wieder einsetzen. Der Versuch ­einer gesellschaftlichen Reform von oben ohne politische Liberalisierung ist womöglich schon an sein Ende gelangt. Einmal mehr hat der »arabische Frühling« die alten Führungsschichten der Region eingeholt – gerade in der Person Khashoggis, der in seiner letzten, von der Washington Post posthum veröffentlichten Kolumne vom »eisernen Vorhang« in der arabischen Welt schrieb, der von den einheimischen Regimen errichtet worden sei, um die Meinungsfreiheit zu unterdrücken. Nur dank und hinter diesem Vorhang wird Mohammed bin Salman so unbeschränkt und grausam weiter herrschen können wie alle seine diktatorischen Vorgänger im ­Nahen Osten.