Statt »Google-Campus« gibt es in Berlin-Kreuzberg ein »Haus für soziales Engagement«

Sieg für den Kiez

Statt des »Google-Campus« als »Förderung des lokalen Start-up-Ökosystems« soll nach Protesten im ehemaligen Umspannwerk in Berlin-Kreuzberg ein »Haus für soziales Engagement« entstehen.

Auch wenn einem weiterhin mittags in jedem Imbiss in Berlin-Kreuzberg vom Nachbartisch der übliche Start-up-Small-talk auf Deutsch oder Englisch entgegenschallt – einen Sieg im Kampf gegen die fortschreitende Gentrifizierung des Bezirks haben die Initiativen gegen den geplanten »Google-Campus« errungen. Knapp zwei Jahre vergingen zwischen dem Anbringen des ersten Protestbanners mit dem Slogan »Google Stay Home« (Jungle World 4/2017) eines Anwohners und der Absage des Vorhabens, im ehemaligen Umspannwerk in Kreuzberg einen »Google-Campus« zu eröffnen.

Öffentlichkeitsarbeit, Demonstrationen und direkten Aktionen, begleitet von der Sympathiebekundung lokaler Politiker von Linkspartei und Grünen, sorgten für den Druck, dem Google schließlich nachgab. Arab News, holländisches Fernsehen und New York Times berichteten über die Proteste.

Ein »Haus für soziales Engagement« soll künftig im Umspannwerk entstehen. Geleitet werden soll es von den Betreibern der Online-Spendenplattform Betterplace zusammen mit Karuna, einer Beratungstelle und Tageseinrichtung für drogenkonsumierende Jugendliche und junge Erwachsene. Google zahlt die Miete und den Umbau. Im Ergebnis hätte sich der Weltkonzern nicht besser aus der Affäre ziehen können, um sein aus nach außen weiterhin gepflegtes »Don’t be evil«-Image zu wahren. Dass Google als großer Förderer auftritt, ist nicht neu. Der Konzern ist so mächtig und finanzstark, dass sogar vermeintliche Konkurrenten, die am Monopol des Weltkonzerns kratzen könnten, hin und wieder etwas Geld erhalten. So weist auch die Free Software Foundation Europe Google als »Gold-Spender« aus.

Seit dem Protest gegen die Bewerbung Berlins für die Olympischen Spiele 2000 war keiner linken außerparlamentarischen Bewegung in der Stadt ein solcher Erfolg mehr vergönnt. Einen »schmerzhaften Tiefschlag« nannte Christian Gräff, der wirtschaftspolitischer Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, die Entscheidung des Konzerns. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja klagte: »Dieser Sieg wird Kiez- und Milieuschutzfana­tiker nun weiter ermutigen, jegliche Veränderung radikal zu torpedieren.« Ganz falsch dürfte er da nicht liegen. Sich in Abendveranstaltungen über Theorien des digital capitalism schlau zu machen, ist eine Sache, der Ruf, ­einen Weltkonzern öffentlich zu einer Kehrtwende gezwungen zu haben, eine andere. Das dürfte anderen stadt­politischen Bewegungen Auftrieb geben und hat zudem vorgemacht, mit ­welchen Mitteln sie erfolgreich sein können.

Verlierer ist – wie derzeit immer – die SPD. »Das ist ein wichtiger Tag für ­Berlin«, hatte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) im November 2016 gesagt, als im ehe­maligen Umspannwerk die Pläne für den »Google-Campus« vorgestellt worden waren. Weder Müller noch ein anderer SPD-Politiker hat sich bisher zu Googles ­neuen Plänen geäußert. Still ist es auch um die Immobilienunternehmen, die zuletzt ihre Lofts mit dem Slogan »Vis-à-vis des neuen Google-Campus« bewarben.