»The House That Jack Built«: ein Psychogramm des Bösen von Lars von Trier

Wenn der Serienkiller einen Waschzwang hat

Regisseur Lars von Trier will wieder einmal verstören und gegen Tabus verstoßen. Ist »The House That Jack Built« ein philosophischer Film oder nur ein Gewaltporno?

Dieser Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Lars von Trier will mit seinem jüngsten Film »The House That Jack Built« das Innenleben eines Serienkillers analysieren und nachvollziehen, was einen empathielosen Menschen antreibt. Und weil er mit der Psychonalyse nicht weiterkommt, schickt er seinen Killer schließlich noch in Dantes Inferno, damit er in der Hölle schmort.

Die Handlung des zweieinhalbstündigen Films kreist um den Bauingenieur Jack (Matt Dillon), der als Architekt Anerkennung finden will. Er scheitert aber mit jedem Entwurf und kann nicht einmal sein eigenes Wohnhaus fertigstellen. Als Serienmörder geht er ebenso ambitioniert ans Werk. Er tötet mehr als 60 Menschen und kommt dafür in die Hölle.

Hier fehlt jedes ironische Potential, das in gut gemachten Horrorfilmen steckt, bei denen der Schock und das Lachen danach als Katharsis und Befreiung dienen.

»Darf man auf dem Weg sprechen?« – »Die wenigsten können dabei schweigen.« Der Film beginnt mit diesem Dialog zwischen Jack und seinem Führer in die Unterwelt, genannt Verge (gespielt von Hitler-Darsteller Bruno Ganz). Jack erweist sich als Plaudertasche und erzählt von seinen Lieblingstaten aus zwölf Jahren, in denen er gemordet hat, beginnend mit den sieb­ziger Jahren. In Rückblenden sind fünf blutige Szenen zu sehen. Jack metzelt nicht nur. Weil er sich als Künstler versteht, ordnet er die Toten zu absurden Arrangements an, die er anschließend fotografiert. Seine sozialen Plastiken aus Leichen gipfeln buchstäblich im Bau eines Leichenhauses. Damit hat Jack sein Werk vollendet.

Der auch nicht mehr ganz junge Regisseur inszeniert sich noch immer als Enfant terrible des Arthouse-Kinos. Bekannt wurde er als Mitini­tiator des »Dogma-95-Manifests«, das mit Thesen zur Erneuerung des Films aufwartete. Das ist nun auch schon 23 Jahre her. Zuletzt interessierten ihn die Themen Apokalypse und Sex plus Ekstase. In »Melancholia« (2011) ging es um die Endzeit­ahnungen einer Depressiven, die sich in der Kollision eines Planeten mit der Erde erfüllen. Das Auf und Ab im Leben einer Nymphomanin schildert »Nymphomaniac« (2013). »The House That Jack Built« will nun das Psychogramm des Bösen sein.

Anfangs ist der Film sympathisch abgedreht. Man lernt diesen Jack kennen, der schon ein bisschen komisch wirkt. Immerhin ist er ein ­Serienkiller mit Waschzwang, der immer wieder zum Tatort zurückkehrt, weil er noch einmal alle Spuren entfernen will – die längst nicht mehr da sind. Ein doppelt getriebener, von seinen Zwängen zerriebener Geist, das hat bösen Humor, zumal Matt Dillon seinen Jack the Ripper brillant verkörpert. Leise Ironie spricht aus seinen Kommentaren – doch man weiß als Zuschauer nicht, ob dieser Unhold überhaupt Humor hat. Dillon verleiht seiner Figur einen eigenwilligen Charme, die sie trotz ­aller Grausamkeiten nie ganz verliert. Natürlich verpackt von Trier die Untaten in gewohnt ästhetisch fotografierte Bilder. Oft erscheinen Totalen, wie mit Pastell sind trostlose Landschaften, Bretterverschläge und Kleinstadttristesse gemalt. In diese Bilder lässt sich das spritzende Blut gut einfügen.

Aus dieser guten Grundanlage macht der Regisseur aber nichts. Er lässt den Film einfach laufen, bis er ermüdet. In Jacks Gedankenwelt dringt man nicht vor. Der Film behauptet, dass der Drang zu Töten die  vorhandene Persönlichkeitsstörung Jacks geheilt habe. Eine Frau nach der anderen wird von dem empathielosen Architekten getötet. Mal sind es eine Mutter und ihre zwei Kinder beim Picknick auf einer Waldlichtung, die er vom Hochsitz aus erschießt und waidmännisch auf dem Boden drapiert. Einer Anhalterin schlägt er das Gesicht mit dem Wagenheber ein, einer Frau, mit der er ein Verhältnis hat – Hat er doch Gefühle? Genießt er Sex? –, setzt er das Messer an die Brust.
Hier fehlt jedes ironische Potential, das in gut gemachten Horrorfilmen steckt, bei denen der Schock und das Lachen danach als Katharsis und Befreiung dienen. Lars von Trier nimmt sich ernst. Je detaillierter er die Mordszenarien zeigt, desto we­niger verständlich wird der Killer. Seine Taten werden nicht besser, wenn man seine Intention erkennt. Aber das wäre immerhin eine Leistung des Films, zu zeigen, was einen Serienmörder antreibt. Hier will es nicht in den Kopf, wieso die Darstellungen so brutal ausfallen. Was ist der Sinn dessen, explizit zu sehen, wie Kinder erschossen werden oder eine Frauenbrust abgetrennt wird? Sagt das mehr aus über die Killerpsyche als das Andeuten dieser Grausamkeiten? Nein, hier soll es einfach noch ein bisschen mehr Blut sein. Von Trier will das Publikum offenkundig erschrecken und mit einem neuen Skandal auf sich aufmerksam machen. Beim Filmfest in Cannes hatte er seinen Eklat, der vorhersehbare PR-Stunt ist also gelungen.

»Philosophisch« nennt Lars von Trier selbst die Geschichte, die viel von der Eitelkeit des Regisseurs erzählt. So werden die fünf Mordepisoden »Ereignisse« genannt: Schicksalshaftes geschieht, das sich dem eigenen Handeln entzieht. Der Regisseur hat wohl zu viel Heidegger gelesen. Jack mordet, weil Jack morden will. Mehr gibt’s hier nicht zu sehen. Es sind ausschließlich Frauen, an ­denen er seinen Tötungstrieb auslässt. Immerhin fragt sein Führer in die Unterwelt, Verge, nach seinem misogynen Fetisch. Ansonsten hat von Trier alles in den Film gepackt, was ihm zum Thema Hölle einfiel. Er zitiert jenen Hoax, dass die Sowjetunion in den Siebzigern auf der Kola-Halbinsel die Hölle angebohrt habe – in der Tiefe seien menschliche Schreie zu hören gewesen. Da wird die Goethe-Eiche im KZ Buchenwald erwähnt, unter der der Dichter angeblich die Walpurgisnacht aus dem »Faust« verfasst haben soll. In einem unterschiedslosen Kaleidoskop der Totalitarismustheorie überblenden sich Bilder aus dem Holocaust mit NS-Schlachtdarstellungen, Massentötungen unter Stalin und den Killing Fields. Und natürlich geht es mit Dante Alighieri hinab in den Abgrund: Der Name Verge ist ein kaum versteckter Hinweis auf dessen »Göttliche Komödie«, in der der römische Dichter Vergil als Führer durch Hölle und Purgatorium fungiert. So wandert das Duo hinab in den Höllentrichter, bis sich Jacks Leib im Feuer verliert.

Um diesen mit wagnerischem Bombast inszenierten Kitsch aufzupeppen, hat von Trier etwas Nietzsche eingestreut, wenn Jack von Lamm und Tiger und dem freien, wilden Leben faselt. Nur stellt der Film nicht die Frage nach dem freien Willen. Jack wird als Getriebener gezeigt, der keine Wahl hat. Alle Reflexion des Films bleibt Behauptung. Im Kern geht es in seinem Film um die Darstellung der Gewalt, das Drumherum ist Makulatur. Am Ende verfängt sich der Film in einer christlichen Moral, der er doch allzu gern eins auswischen würde. Sein Mörder darf nicht entkommen, er muss sich und das Publikum in einem quälenden 20-Minuten-Monolog martern. Das Böse bestraft der liebe Gott, so lautet die simple Botschaft der Geschichte.

The House That Jack Built (Den/F/BRD/S 2018). Regie: Lars von Trier. Darsteller: Matt Dillon, Bruno Ganz, Uma Thurman. Kinostart: 29. November