Südkorea bemüht sich weiter um die Annäherung an Nordkorea, obwohl das Regime kaum Zugeständnisse macht

Lieb sein zum Diktator

Obwohl das nordkoreanische Regime weit entfernt von Abrüstung und demokratischer Öffnung ist, bemüht sich Südkorea weiter um Annäherung.

Im vergangenen Jahr zelebrierte Nordkorea sein 70jähriges Bestehen. Der Mann an der Spitze, Kim Jong-un, hatte ebenfalls jeden Grund zum Feiern: Anfang des vergangenen Jahres noch international isoliert, hat er inzwischen jeweils drei Mal Südkoreas Präsidenten Moon Jae-in und Chinas ­Präsidenten Xi Jinping getroffen. Am Dienstag kam Kim nun erneut nach Peking. Im Juni traf er sich gar mit dem US-Präsidenten Donald Trump in Singapur. Seit diesem vielbeachteten Gipfeltreffen konnten Trump und Kim jedoch keine konkreten Erfolge vorweisen: Weder wurden größere Schritte zur nuklearen Abrüstung der koreanischen Halbinsel eingeleitet noch gibt es klar formulierte Ziele. Und obwohl Kim am Jahresende in einem Brief an Moon ankündigte, ihn 2019 »häufig« treffen zu wollen, kam Kims Gegenbesuch in Seoul bislang nicht ­zustande.

Über die im Juni getätigten Abmachungen zwischen Kim und Trump sind keine Details bekannt, so dass Nordkorea kein Wortbruch vorgeworfen werden kann. Die vage formulierte Vereinbarung sieht weder eine klare Ab­folge der nächsten Schritte noch einen Zeitplan vor. Über mündliche Ab­sprachen zwischen Trump und Kim ist nichts bekannt.

Insbesondere im Verlauf des vergangenen Jahres sind zwischen Nord- und Südkorea jedoch Verbindungen entstanden, die nicht unmittelbar durch erratisches Verhalten oder einen launischen Tweet gefährdet werden können. Hierzu gehören verschiedene Delegationsreisen und selbstverständlich die Teilnahme Nordkoreas an den Olympischen Winterspielen. Südkorea hatte sich zuletzt auch dafür eingesetzt, bestimmte UN-Sanktionen zu umgehen, um die Eisenbahnverbindung über die streng gesicherte Grenze am 38. Breitengrad wieder aufzunehmen. Auch eine Straße in der demilitarisierten Zone wurde mit großem Tamtam wieder verbunden.

Für den weiteren Verlauf ist entscheidend, wer sich in den großen Fragen der Denuklearisierung und der Sanktionen wann bewegen wird. Es dürfte in Kims Interesse sein, schnell an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Kim drang in seiner Neujahrsan­sprache auf ein weiteres Treffen mit Trump. Der US-Präsident und Moon sind in den Augen des nordkoreanischen Regimes günstige Verhandlungspartner. Moon wiederum hofft offensichtlich auf eine schnelle Einigung zwischen den USA und Nordkorea, um seine Ziele zu erreichen. Den entscheidenden Schritt für die Lösung des Nord-Süd-Konflikts zu tun, hat für ihn und sein politisches Erbe allerhöchste Priorität. Um die US-Regierung hinter sich zu wissen, muss Moon trotz der Sanktionen symbolische Fortschritte erreichen. Obwohl die USA die Sank­tionen erst lockern wollen, wenn Nordkorea nachweislich an der Denuklea­risierung arbeitet, ist das nächste Treffen zwischen Kim und dem US-Präsidenten schon geplant. Aber dass Trump im Lauf des Jahres nicht doch einen Vorteil darin erkennen könnte, eine härtere Politik gegen Nordkorea zu betreiben, insbesondere wenn Zugeständnisse des Regimes ausbleiben, ist nicht ausgeschlossen.

Kaum beachtet in der westlichen Berichterstattung werden bei all der ­Euphorie über die Annäherung der seit 1948 getrennten Staaten die politischen und gesellschaftlichen Nebenwirkungen des Einheitstaumels in Südkorea. Kritik an Nordkorea wird als Nestbeschmutzung diffamiert. Nicht nur kritische Stimmen aus dem rechten Lager, die in der raschen Annäherung durch Moons Regierung Gefahren sehen, treffen auf Widerstand. Südkoreas Justizminister Park Sang-ki liebäugelte vergangenes Jahr im Kampf gegen fake news mit einer Gesetzesänderung, mit der auch Kritik – egal aus welchem Lager – an Moons Annäherungspolitik unterdrückt werden könnte. Bezeichnend ist auch der Fall des Überläufers und ehemaligen nordkoreanischen Diplomaten Thae Yong-ho, der 2016 mit seiner Familie in den Süden floh. Thae sah sich im November gezwungen, eine Veranstaltung abzusagen, nachdem ihm eine studentische Gruppe wegen seiner Unterstützung der Sanktionen gegen den Norden und seiner Kritik am Regime online gedroht hatte.