Der Kaffeeanbau in Guatemala ist bedroht

Wenn die Kaffeepflanze durchdreht

Acatenango ist eine der acht traditionellen Anbauregionen für Kaffee in Guatemala. Dort macht den Kaffeebauern nicht nur der Kaffeepilz zu schaffen, der für sinkende Erträge gesorgt hat, sondern auch der Klimawandel und der niedrige Börsenpreis für Kaffee.

Cornelio Estrada wirft einen prüfenden Blick auf die prallen hellgrünen Bohnen, dann inspiziert er die Blätter von unten auf Sporenbefall und nickt zufrieden. Die hochgewachsene Kaffeepflanze der Sorte Bourbón, an der schon die ersten roten Kaffeekirschen hängen, macht einen guten Eindruck. Das gleiche gilt für die benachbarten Kaffeesträucher der Sorte Geisha und Catuai, die im Schatten einer Zeder stehen. Alle paar Tage nimmt Estrada ­seine Kaffeepflanzen in Augenschein, denn so kurz vor dem Erntebeginn will er nichts mehr riskieren. »Die letzten drei Jahre waren ausgesprochen schwierig. Fast alle Bauern unserer Genossenschaft hatten mit dem Kaffeepilz ›la roya‹ zu kämpfen. Den haben wir jetzt im Griff und hoffen nun auf eine gute Ernte«, meint der kräftige Mann von Ende 40.

Auf drei Hektar Fläche kurz vor dem Ortseingang von Acatenango baut Es­trada Kaffee an. Die Stadt ist eine gute Stunde Fahrzeit westlich von Guate­mala-Stadt gelegen und liegt in einer der acht Anbauregionen Guatemalas. Sie genießt einen exzellenten Ruf, den sie den nährstoffreichen Böden zu verdanken hat, die im Schatten der prächtigen Kegel des Volcán de Fuego und des Acatenango liegen. Die beiden Vulkane sind aktiv und sorgen mit sporadischen kleineren Ausbrüchen hin und wieder für Probleme. »Die Asche legt sich dann wie eine zweite Haut auf die Blätter der Kaffeesträucher. Das haben die Pflanzen gar nicht gern. Wenn kein Schauer die Asche abspült, wirkt sich das negativ auf die Erträge aus«, so Estrada.

»Der Ankaufpreis liegt unter unseren Produktionskosten. Vielleicht sollten wir lieber Schlafmohn oder Koka anbauen.« Selvín Marroquín, Kaffeebauer

Er ist heute auf seiner Farm »Monte Sion« in Begleitung unterwegs. Juan Carlos Toledo, ein Agrartechniker von Fedecocagua, dem größten Dachverband der Kaffeegenossenschaften Guatemalas, ist mit von der Partie sowie ein paar Freunde aus der Genossenschaft Acatenango RL. 350 Kaffeebauern mit rund 900 Hektar Anbaufläche haben sich darin zusammengeschlossen. Sie unterhalten einen eigenen medi­zinischen Versorgungsposten, Maschinen zum Schälen und Trocknen der Kaffeekirschen und produzieren nicht nur für den Export, sondern bieten die aromatischen Bohnen auch lokal an. Beim Aufbau dieser Strukturen haben die Techniker von Fedecocagua, darunter Toledo, mitgewirkt. Er ist regel­mäßig in der Region unterwegs, um die Bauern bei Anbau und Auswahl der Setzlinge zu beraten. »Alle Kaffeebauern haben in den letzten Jahren ihre Kaffeefarmen erneuert, neue, gegen ›la roya‹ leidlich resistente Setzlinge gesetzt und investiert. Nun haben sie den Kaffeepilz unter Kontrolle, aber trotzdem sind die Aussichten nicht gerade rosig«, so der Kaffeespezialist mit einem bitteren Lächeln.

Der Klimawandel macht sich auf den Kaffeefarmen rund um Acatenango immer stärker bemerkbar, zudem sorgen sich die Bauern der Kooperative wegen des niedrigen Preises pro Pfund der Arabica-Bohnen an der Börse von New York. »Viele Genossen sind hochverschuldet, wir überleben mit dem Kaffee, aber wir leben nicht mehr in Würde von den Erträgen der Bohne wie früher«, erklärt Fabían Marroquín, der Vorsitzende der Genossenschaft. »Ich bin zu alt, um noch auszuwandern, aber die Zahl der Menschen, die gehen, steigt«, sagt der Mann von Anfang 70 und schiebt sich den Hut in den Nacken. Cornelio Estrada und Selvín Marroquín, ein weiteres Mitglied aus dem Vorstand der Kaffeekooperative, nicken zustimmend. Bei Estrada waren noch vor 18 Monaten vier Arbeiter festangestellt, die sich um die Kaffeepflanzen, aber auch um die schattenspendenden Edelgehölze und Obstbäume gekümmert haben, die auf der malerischen Kaffeefinca wachsen. »Das ist vorbei, ich kann es mir schlicht nicht mehr leisten. Mit Jorge ist einer von vier geblieben und auch dem würde ich gern mehr zahlen, als ich kann«, schildert Estrada die schwierige Situation.

Viele Menschen wandern daher aus der Region ab. Bei einem Kaffeepreis von gerade einmal 1,02 US-Dollar pro ame­rikanischem Pfund (454 Gramm), wie er Mitte Januar gezahlt wurde, bleiben die Perspektiven düster. »Der Ankaufpreis liegt unter unseren Produktionskosten. Vielleicht sollten wir lieber Schlafmohn oder Koka anbauen«, sagt Selvín Marroquín zynisch. Galgen­humor und Zukunftsängste prägen die Stimmung in der Kooperative, wo die Alten es den Jüngeren nicht verübeln können, nicht auf den Kaffeeanbau zu vertrauen.

»Wir haben seit dem Auftauchen des Kaffeepilzes ›la roya‹ deutlich mehr ­Arbeit, weil wir die Pflanzen regelmäßig auf Befall prüfen müssen«, sagt Estrada. Das ist nicht nur in Guatemala so, sondern in allen Kaffee produzierenden Ländern der Region – in Mexiko, Honduras oder Nicaragua. Leichter Befall ist tolerabel, wenn aber mehr als die Hälfte der Blätter Sporen aufweist, besteht die Gefahr, dass die Pflanze die Blätter fallen lässt. Dann vertrockne die Bohne am Ast, weil sie keine Nährstoffe mehr erhalte, erklärt Toledo. Die Biobauern der Kaffeekooperative von Acatenango versuchen dann, die Pflanze zu stärken und sorgen mit Biodünger und einem Sud aus Kupfer, Schwefel, Kaffeesatz und anderen Zutaten dafür, dass der Pilz sich verzieht. »Das klappt nicht immer, aber je früher man aktiv wird, desto besser«, sagt Es­trada, während er inmitten mehrerer Kaffeesträucher steht, die keinerlei Befall aufweisen.

Allerdings sind an den Zweigen neben dicken grünen und einigen roten Bohnen auch kleinere grüne und einige wenige Blüten zu sehen, die er mit dem Fingernagel abkneift. »Das ist neu. Seit zwei, drei Jahren tauchen Kaffeeblüten zur Unzeit auf. Ein Indiz, dass die Pflanzen die Orientierung verlieren«, so ­Estrada. Um vier Grad, von 16 auf etwa 20 Grad, sind in den vergangenen Jahren die Durchschnittstemperaturen im Winter, der Regenzeit von Mai bis Oktober, gestiegen und auch den starken Befall der Pflanzen mit dem Kaffeerost führen die Bauern auf den Klimawandel zurück. »Das wäre durchaus möglich, denn mehr Regenfälle sorgen für mehr Feuchtigkeit und damit für optimale Bedingungen für den Pilz«, sagt der Kaffeeexperte Toledo.

Parallel dazu hat die höhere Sonneneinstrahlung dafür gesorgt, dass es dem Kaffee hier und da zu heiß wird. Das bestätigen auch die Prognosen des australischen Climate Institute (seit 2017 Australia Institute) in seiner Studie »A Brewing Storm: The climate change risks to coffee« von 2016. Dessen Experten glauben, dass bis zu 50 Prozent der weltweiten Anbaugebiete bis 2050 verloren gehen könnten. Mittelamerika wird der Studie zufolge besonders stark betroffen sein. Dort sollen bis zu 88 Prozent der Anbaugebiete bis 2050 verloren gehen, wenn der Klimawandel nicht endlich aufgehalten werde. Das war zwar auch am Rande der Klimakonferenz im polnischen Katowice im Dezember ein Thema, aber für die Bauern in Acatenango ist klar, dass sie sich anpassen müssen und weitgehend auf sich allein gestellt sind. Mehr Schattenbäume hat Estrada in den vergangenen Jahr gepflanzt, Holz- und Obstbäume. »Das bringt mir zusätzliche Einnahmen, hoffe ich«, so der Kaffeebauer. Auch mit Avocadobäumen will er alsbald experimentieren, denn denen könnte das Klima besser gefallen als den sensiblen Kaffeesträuchern.

Solche Initiativen werden auch vom Kaffeetechniker Toledo von Fedecocagua gefördert. »Wir beraten die Bauern schon lange für mehrere Strategien. Dazu gehören die Anlage von Mischkulturen sowie der Verkauf von gerösteten Bohnen in der Region und an Restaurants. Das sorgt für alternative Einnahmequellen«, so der Agronom. Das rät er auch seinen Kollegen aus den Nachbarländern, die vor den gleichen He­rausforderungen stehen.

Immerhin haben die Genossen aus Acatenango den Verkauf der aromatischen Bohnen gut organisiert. Mehr als die Hälfte der Ernte geht an den fairen Handel in Deutschland und andere Länder. Die dort gezahlten höheren Preise von etwas mehr als 1,60 US-Dollar pro Pfund Kaffee werden den Bauern in diesem Jahr die Existenz sichern. Viel mehr wird kaum drin sein. Da geben sich die Kaffeebauern aus Acatenango keinen großen Illusionen hin.