Greta Thunberg und Beatrix von Storch debattieren über den Klimawandel mit vertauschten Rolle

Die Reifeprüfung

Wenn Pubertierende den Klimaschutz sabotieren, ist eine Abkehr von der Kuschelpädagogik notwendig.
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Pubertäre Kommentare zum Klimawandel sind eine Zumutung für Erwachsene. »Hätte ich einen Dieselgenerator, würde ich ihn zum Spaß laufen lassen«, twitterte Beatrix von Storch (AfD) am vorvergangenen Samstag. Drei Tage später sagte Henryk M. Broder in seiner Rede vor der AfD-Bundestagsfraktion: »Ich glaube nicht einmal da­ran, dass es einen Klimawandel gibt, weil es noch keinen Tag in der Geschichte gegeben hat, an dem sich das Klima nicht gewandelt hätte. Klimawandel ist so neu wie die ewige Abfolge von Winter, Frühjahr, Sommer und Herbst. Neu ist nur, dass das Klima zum Fetisch der Aufgeklärten geworden ist.«

Jugendlichen fällt die Rolle der Erwachsenen zu, die mit der Stimme der Vernunft mahnen müssen, dass Zeit ein entscheidender Faktor im Kampf gegen die globale Erwärmung ist und die Uneinsichtigkeit Donalds und Wladimirs keine Ausrede sein darf.

Ähnlich pubertär verhalten sich die meisten Politiker, Unternehmer und Manager, die sich im Hinblick auf den Klimawandel einsichtig geben, aber nichts übereilen wollen. »Ja doch, ich räume mein Zimmer schon noch auf, aber erst, wenn Donald und Wladimir ihre Zimmer aufgeräumt haben. Bei denen ist es doch viel unordentlicher! Fortnite muss ich auch noch spielen, aber spätestens 2038 habe ich alles in Ordnung gebracht. Versprochen!« Das nennt man Standort- oder Realpolitik, und wenn Donald und Wladimir ihre Zimmer nicht aufräumen wollen, passiert erst einmal fast gar nichts. Nach diesem Muster wurde der Kompromiss der Kohlekommission ausgehandelt, der elf Ziele, unter anderem »Deutschland bleibt ein hochattraktiver Standort« und »Rechtssicherheit schafft Planbarkeit für die Unternehmen der Energiewirtschaft« als gleichrangig mit der Umwelt- und Klimaverträglichkeit der Energieversorgung nennt.

Jugendlichen fällt somit die Rolle der Erwachsenen zu, die mit der Stimme der Vernunft mahnen müssen, dass Zeit ein entscheidender Faktor im Kampf gegen die globale Erwärmung ist und die Uneinsichtigkeit Donalds und Wladimirs keine Ausrede sein darf. Wer sich seiner eigenen Pubertät zu erinnern wagt, weiß: Erwachsene nerven, vor allem wenn man ahnt, dass sie recht haben, dies aber um keinen Preis zugeben will. Um die Vernunft, diesen lästigen Fetisch der Aufgeklärten, abzuwehren, reagiert man mit Spott und Hass, wie sie der schwedischen Umweltschützerin Greta Thunberg entgegenschlagen – an sich sollte man ja erwarten, dass die Leistungs­bereitschaft und Professionalität der 16jährigen ungeachtet inhaltlicher Differenzen allgemeine Anerkennung fände.

Pubertierende sind aber auch geschickte Taktiker. Wenn man Mama und Papa umarmt, Einsicht vortäuscht, Besserung gelobt und ein paar Tränen vergießt oder mit einem kleinen Geschenk aufwartet, ist der nächste Aufschub unangenehmer Tätigkeiten schon so gut wie ausgehandelt. Eine solche tödliche Umarmung ist auch für die Jugendbewegung für den Klimaschutz eine größere Gefahr als die Aggressivität verhaltensgestörter Lümmel. Es mag altmodisch klingen, aber manchmal hilft leider nur eine Abkehr von der Kuschelpädagogik.

An einem Tag pro Woche nicht zur Schule zu gehen, aber nachzulernen und die Prüfungen zu absolvieren, ist wie den Nachtisch zu streichen, aber dann doch noch einen Schokopudding nachzureichen. Stattdessen muss der Kühlschrank leer bleiben. Erst wenn die Pubertierenden merken, dass ihnen die Arbeitskraft der Erwachsenen, das unentbehrliche Humankapital, womöglich nicht mehr zur Verfügung stehen wird, kann man auf eine Verhaltensänderung hoffen.