Helmut Berger: Älterwerden in der niedersächsischen Provinz

Der letzte Star

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In einer Sequenz interviewt Berger mit Hilfe von Schnitt und Gegenschnitt sich selbst. Er konfrontiert sich mit all den klischierten Fragen, die einem gealterten Star so gestellt werden, über das wilde vergangene Leben oder, wie man eigentlich finanziell noch überlebe. Seine Antworten an sich selbst sind ebenfalls mit Klischees gespickt, beweisen aber damit eine ordentliche Portion Selbstironie. Nicht unabsichtlich verschmitzt und trotzig gibt er seine Statements ab, zitiert Marianne Faithfull (»I sit and watch/As Tears go by«), behauptet, gar keinen Stolz zu besitzen, und rollt bei den unverschämtesten Fragen des von ihm ­gemimten Interviewers mit den Augen. Trotz dieser Coolness kommt er nicht umhin, immer wieder auf seine Triumphe zu verweisen, und zwar mit einem Zittern in der Stimme, als glaube er selbst nicht, was er in seinem Leben alles getan hat. Und immer wieder kommt er auf Visconti, seine große Liebe: »Wer liebt, macht sich verletzlich.«

Apropos Visconti: Dass Berger einer der ersten bekannten Bisexuellen war, bringt heutzutage nicht mehr so viele Menschen aus der Fassung. Geradezu zu einer Versöhnung mit den Kleinbürgern kommt es im Film, wenn die ganze Familie der Regisseurin zusammenkommt, um ­gemeinsam zu essen, und die Großmutter ganz locker mit dem ehe­maligen Weltstar spricht, anstatt pikiert zu sein. Bergers Tabubruch und Provokation, am Ende ein Erfolg.

Leider hat der Film kein Happy End: Durch die Anstrengungen der Filmemacherin ereilen Berger tatsächlich neue Angebote, unter anderem jenes, in der gerade von Chris Dercon übernommenen Berliner Volksbühne in einem Stück des äußerst unsympathischen Albert Serra mitzuspielen. »Liberté« heißt es, es geht um eine französische Duchesse kurz vor der französischen Revolu­tion, die nach Deutschland kommt, um die Libertinage zu verbreiten. ­Eigentlich ein Traumstoff für den Dandy Berger, wenn es nicht das erste Theaterstück in seiner gesamten Karriere wäre, an dem er mitwirkt. Ein bisschen scheint es so, als werde er von Filmemacherin Peters und ihrer Mutter in die Teilnahme hineingequatscht, und doch spürt man auch, wie Berger selbst sich einen erneuten Auftritt im Scheinwerferlicht wünscht. Wenn man nicht wüsste, dass dieses Stück tatsächlich lief, könnte man das Ganze für eine kluge scripted ­reality halten. Berger kann sich den Text nicht merken, der ihm daraufhin über ein viel zu laut eingestelltes Headset auf der Bühne durchgesagt wird. Was Berger wohl am wenigsten behagt, nämlich Mitleid zu bekommen, setzt hier beim Zuschauer zwangsläufig ein. Der Film inszeniert die Theateraufführung als Erfolg, in Wahrheit aber wurde »Liberté« so heftig in der Presse zerrissen, dass der Rezensent im Deutschlandfunk sich »die schnellstmöglichste Absetzung des Stücks« wünschte. Der Film endet nach der Premiere, in der Garderobe, der frisch abgeschminkte Berger betrachtet sich im Spiegel. Man erinnert sich an seine Worte, die er zuvor schon gesagt hat: »Ich hab mir meine Rente anders vorgestellt.«

 

Helmut Berger, meine Mutter und ich. ­Regie: Valesca Peters. Mitwirkende:
Helmut Berger, Bettina Vorndamme.