Feminismus ist Klassenkampf, Genossen

Immer diese Widersprüche

Auch in der Linken gibt es die Tendenz, das Patriarchat als überwunden zu betrachten. Doch die Reproduktionssphäre ist weiterhin weiblich, und sie wird konsequent abgewertet.
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Frauenfeindlichkeit ist doch längst passé. Entweder haben die weisen Genossen ihre eigene schon längst reflektiert, und die Frauenunterdrückung wird ohnehin aufhören, sobald einmal die so­zialistische Revolution vor der Tür steht. Oder, so glauben ideologiekritische Postlinke wie Bürgerliche, denen jede feministische Errungenschaft, die über das Recht auf Verhütungsmittel hinaus geht, eigentlich schon zu radikal ist, der Kapitalismus habe die feministischen Forderungen längst schon erfüllt. Das klassische Patriarchat gibt es nicht mehr, weil Frauen ja jetzt auch ihre Arbeitskraft der Mehrwertproduktion unterwerfen, anstatt auf den Ehemann zu warten, der mit der Lohntüte nach Hause kommt. ­Kapitalismus, mansplainen sie dann, kenne kein Geschlecht. Dass sie damit auch die feministisch-marxistische Theorie ignorieren, ist ihnen vollkommen egal oder sogar recht. Der theoretische Kanon linker und ehemals linker Antifeministen ist ausgesprochen selektiv, sobald es um das Geschlechterverhältnis geht.

Wenn wir die patriarchalen Verhältnisse überwinden wollen, muss dies auf zwei Ebenen geschehen: durch feministische Ideologiekritik einerseits und durch eine Überwindung der Macht­verhältnisse andererseits.

Heidi Hartmann beschreibt in ihrem klassischen Artikel »The Unhappy Marriage of Marxism and Feminism« (1979), dass sich aus dem patriarchalen Feudalismus nun einmal ein patriarchaler Kapitalismus entwickelt hat, und entlarvt die Nebenwiderspruchstheorie als Lüge. Produktionsmittel sind bis heute primär im Besitz von Männern. Frauen waren und sind immer noch der »doppelten Vergesellschaftung« unterworfen. Sie müssen ihre Arbeitskraft zu Markte tragen, überdies sind sie für die Reproduktionssphäre an Heim und Herd verantwortlich. Doch anstatt ihre Mütter, Frauen, Töchter und Schwestern in die eigenen Arbeitskämpfe mit einzubinden, hat die arbeitende Klasse, die, anders als ­Friedrich Engels es noch hoffnungsvoll postulierte, nicht zur Vorhut der Geschlechterkämpfe wurde, sich diesbezüglich als genauso reaktionär erwiesen wie ihre Ausbeuter. Gewerkschaftsmitglieder erreichten die Einführung des »Familienlohns«, dessen Ziel es war, Frauen (und auch Kinder) vom Arbeitsplatz zurück in die Küche zu holen. ­Frauen könnten gar nicht am öffentlichen Leben partizipieren, schwadronierte derweil die Bourgeoisie, weil dies ihrem weib­lichen Wesen widerspreche. Frauen im Lohnarbeitsverhältnis sind zumindest finanziell unabhängig von ihrem Ehemann, und das sollte bekämpft werden. Diese Unabhängigkeit war mit der Abhängigkeit vom Arbeitgeber erkauft – aber immerhin.

Der patriarchale Kapitalismus basiert auf dem Dualismus von männlicher Produktionssphäre und weiblicher Reproduktionssphäre, letztere wird konsequent abgewertet. Inzwischen gehen Frauen in der Regel arbeiten, ein Recht, das sie sich militant erkämpft haben. Noch immer werden Frauen schlechter bezahlt als Männer, noch immer wird Frauen der berufliche Aufstieg verwehrt, noch immer werden bestimmte Berufe mit geschlechtskonnotierten Eigenschaften assoziiert, noch immer findet eine ­konsequente Abwertung der »weiblichen« Care-Arbeit statt. Auch heute noch erledigen Frauen in Deutschland den Löwinnenanteil unbezahlter Hausarbeit. Und hat man es doch geschafft, zum »Girlboss« aufzusteigen, putzt eine prekarisierte Migrantin die Loftwohnung.

Die Reproduktionssphäre ist immer noch weiblich, und sie wird weiblich bleiben, solange die dem Kapitalismus von Beginn an ­innewohnenden ökonomischen Zustände – und die damit eng verbundene patriarchale Ideologie – nicht überwunden werden. Dass beides zusammengehört, zeigt sich auf vielen Ebenen: Männer sind im Besitz von Produktionsmitteln, Männer dominieren kulturelle und kulturindustrielle Diskurse, in denen sie Männerphantasien propagieren, ökonomischer Erfolg wird mit Virilität, Männlichkeit und Potenz gleichgesetzt. Auch nach 16 Jahren Amtszeit von Angela Merkel bleibt Politik eine patriarchale Institution. Männer können und wollen Frauenkörper kaufen, wenn sie über das nötige Geld verfügen. Nach wie vor haben Männer Macht über Frauen, ökonomisch wie politisch, und daran halten sie erbittert fest. Nur langsam reift die Erkenntnis unter Männern – von den linken Theweleit-Lesezirkeln und radikalen Männertherapiegruppen bis zur massenwirksamen Kampagne der Firma Gillette, mittels eines neuen Männerbilds in der Werbung Reparationen für Jahre der Inszenierungen von Hypermaskulinität zu leisten.

Wenn wir die patriarchalen Verhältnisse überwinden wollen, muss dies auf zwei Ebenen geschehen: durch feministische Ideologiekritik einerseits und durch eine Überwindung der Macht­verhältnisse andererseits.

Deshalb, liebe Männer, liebe Kapitalisten: noch könnt ihr eure Charaktermasken ablegen, auch wenn diese vermutlich recht bequem sitzen. Aber es ist das einzig ­Richtige.