Großrazzia bei Salafisten

Muslimbrüder im Geiste

Der muslimische Verein Ansaar International gibt vor, Menschen in Not zu helfen. Die deutschen Behörden hegen einen anderen Verdacht: Ansaar sammelt Spenden, um Terroristen zu unterstützen.

Es war eine großangelegte Aktion: In Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein durchsuchte die Polizei in der vorigen Woche 90 Einrichtungen der Hilfsorganisationen Ansaar International und »World Wide Resistance – Help« (WWR-Help). Grund für die Razzien war der Verdacht, die beiden Vereine würden die palästinensische Terrororganisation Hamas finanziell und propagandistisch unterstützen. Zwischen Ansaar und WWR-Help vermuten die Ermittler »verwandtschaftliche und organisatorische ­Verknüpfungen«. Des Weiteren sollen sich viele Sympathisanten und Mitglieder des Vereins »Lies«, der mit dem Verteilen des Korans in deutschen Städten öffentlich bekannt wurde, nach dessen Verbot Ansaar angeschlossen haben.

Der prominenteste Verdächtige wurde während der Razzia nicht in seiner Wohnung in Berlin angetroffen: Der Fußballprofi Änis Ben-Hatira steht derzeit beim ungarischen Erstligisten Honvéd Budapest unter Vertrag. »Ich habe nichts zu verstecken und nichts zu verbergen. Jeder ist bei mir willkommen. Das nächste Mal können sie ruhig warten, bis ich in Berlin bin. Dann öffne ich gerne selber die Tür«, sagte der Sportler, der erst aus den Medien von der Razzia erfuhr. Seine Verbindungen in das salafistische Milieu hatten im Januar 2017 für die Vertragsauflösung durch seinen damaligen Arbeitgeber SV Darmstadt 98 gesorgt. Ben-Hatira, der mehrere Hilfsprojekte von Ansaar International finanziell unterstützte, hatte damals behauptet, weder er noch die Organisation habe etwas mit Extremismus zu tun.

Der in Düsseldorf ansässige Verein Ansaar beklagt sich seit Jahren darüber, von der Presse verunglimpft zu werden. »Warum die Vorwürfe der deutschen Medien nicht stimmen« oder »Abrechnung mit der Medienwelt« heißen Beiträge auf seiner Website, auf der es neben der Akquise von Spendengeldern hauptsächlich darum geht, Vorwürfe der deutschen Presse zu entkräften. In den internationalen Medien dagegen sieht die Berichterstattung weitaus besser aus. So führt die Organisation Dutzende Beispiele aus Syrien, Somalia, den palästinensischen Gebieten und der Türkei an, in denen ausnahmslos positiv über ihre Arbeit berichtet wird. Auch die Washington Post veröffentlichte im Februar 2017 einen Artikel über die Arbeit von Ansaar International und den damals in die Türkei gewechselten Ben-Hatira. Der in Berlin geborene Fußballspieler wird mit den Worten zitiert: »Muslims are the new Jews.«

Die Durchsuchungen dienten nicht allein der Vorbereitung eines Vereinsverbots. Offenbar wollten die Behörden auch Erkenntnisse darüber gewinnen, in welchem Maße sich die islamistischen Milieus von Salafisten und Muslimbrüdern in jüngster Zeit einander angenähert haben. »Ein Bündnis der beiden wäre der Gau«, zitierte der Tagesspiegel vergangene Woche einen »hochrangigen Sicherheitsexperten«, der ein mögliches Szenario skizzierte: Die sich zumeist aus jungen Männern mit revolutionärem Drang rekrutierenden Salafisten könnten von der strategischen Erfahrung der legalistisch vorgehenden Muslimbrüder profitieren, diese erhielten Zugriff auf einen weit über 10 000 junge Menschen umfassenden salafistischen Personenkreis.

Hier wüchse langsam politisch zusammen, was sich auch popkulturell längst angenähert hat. Änis Ben-Hatira unterstützt neben Ansaar International auch das vom Berliner Verein Inssan initiierte Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit.
Der Berliner Verfassungsschutz rechnete Inssan in den vergangenen beiden Jahrzehnten wiederholt dem Milieu der Muslimbrüder zu. Der Profifußballer befindet sich als Unterstützer des Netzwerkes in einer illustrer Gessellschaft: Da wäre etwa die Berliner Juristin Betül Ulusoy, die als Streiterin für das Kopftuch bekannt wurde und den gescheiterten Putschversuch in der Türkei mit den Worten kommentierte: »Alles hat doch sein Gutes: Zumindest kann jetzt die Säuberung vom Schmutz erfolgen.« Da wäre der Imam Ferid Heider, der Verbindungen zu den Kreisen der Muslimbrüder pflegt. Und da wäre der Berliner Rapper Massiv, der in seinen Songs vom Märtyrertod im Kampf gegen Israel singt – gerade so, wie es sich die Muslimbrüder von der Hamas wünschen.