In den USA gehen Abtreibungsgegner in die Offensive

Todesstrafe für Abtreibung

In Texas fordern Republikaner, Abtreibung strafrechtlich als Mord zu werten. Frauen, die abgetrieben haben, könnte demnach die Todesstrafe drohen.

Seit der Oberste Gerichtshof der USA mit seiner Entscheidung im Fall »Roe v. Wade« 1973 den Schwangerschaftsabbruch in den USA legalisiert hat, versuchen Abtreibungsgegner immer wieder, dieses hart erfochtene Recht außer Kraft zu setzen. So auch im erzkonservativen Bundesstaat Texas, wo eine Gesetzesinitiative Abtreibung mit Mord gleichstellen soll. Der republikanische Abgeordnete Tony Tinderholt brachte 2017 im texanischen Repräsentantenhaus den Gesetzesentwurf HB 948 ein, wie die Zeitschrift Texas Observer berichtete. Seither hing HB 948 fest, doch mit neuen Anhörungen kam in der vergangenen Woche auf einmal Bewegung in die Sache. Rein theoretisch könnten also, sollte aus dem Entwurf ein Gesetz werden, Abtreibungen in Texas in Zukunft mit der Todesstrafe geahndet werden, was allerdings dem Argument von Abtreibungsgegnern, sie verteidigten das »Recht auf Leben«, deutlich widersprechen würde.

Solche Petitessen scheinen die US-amerikanischen Abtreibungsgegner jedoch nicht weiter zu interessieren. Sie sehen sich selbst als Kombattanten in einem »Kulturkampf« und in der Prä­sidentschaft Donald Trumps wittern sie eine Chance. Allerdings sind sie eine Minderheit. Das Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center teilte im Oktober 2018 mit, dass nur 37 Prozent der Befragten grundsätzlich gegen Abtreibung sind, 58 Prozent hingegen finden, eine Abtreibung solle in »allen oder den meisten« Fällen legal sein. Gegen einen Schwangerschaftsabbruch sind vor allem diejenigen, die niemals direkt mit dieser Frage konfrontiert werden, nämlich Männer. Sie sind zu 60 Prozent dagegen, bei den befragten Frauen sind es nur 36 Prozent. Unter »weißen evangelikalen Christen« ist die Sorge am größten, sie sprechen sich zu 61 Prozent gegen Abtreibung aus. Doch die Anzahl der praktizierenden Christen in den USA nimmt ab, wie aktuelle Umfragen belegen.

Umso panischer versuchen Abtreibungsgegner, die Gesetzgebung des Landes zu beeinflussen; da sind die Chancen größer als an den Wahlurnen. »Roe v. Wade« soll nicht mehr nur ab­geschwächt, sondern direkt angegriffen werden. In Texas wurden 2013 die staatlichen Auflagen für Kliniken, in denen Abtreibungen angeboten werden verschärft, was dazu führte, dass es in dem riesigen Bundesstaat – Texas ist bei 28,7 Millionen Einwohnern doppelt so groß wie Deutschland – 2015 nur noch 19 Kliniken gab, die überhaupt in der Lage waren, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen. Das entsprechende Gesetz wurde 2016 vom Bundesgerichtshof gekippt, doch bis heute gibt es in 96 Prozent aller texa­nischen Gemeindebezirke noch keine adäquaten Möglichkeiten für einen Schwangerschaftsabbruch. Abtreibungen sind in Texas bis zur 20. Schwangerschaftswoche erlaubt, in Ausnahmefällen auch darüber hinaus. Weniger Kliniken bedeutet auch weniger Abtreibungen – zumindest noch. Denn Frauen, die abtreiben wollen, greifen verstärkt zu dem Medikament Miso­prostol, das illegal aus Mexiko eingeführt und per Internet auf dem Schwarzmarkt verkauft wird. Auch das ist sicherlich ein Faktor, warum sich das Augenmerk der Abtreibungsgegner in letzter Zeit weniger auf Kliniken richtet, sondern auf Frauen – sie sollen in Zukunft rechtlich belangt werden.

Der Non-Profit-Organisation Planned Parenthood zufolge gab es seit 2010 landesweit mehr als 400 Einschränkungen, die Schwangerschaftsabbrüche erschweren sollen. In den vergangenen zwei Jahren wurden in 14 US-Bundesstaaten »Heartbeat«-Gesetzesentwürfe vorgeschlagen, zuletzt in Ohio, wo das neue Gesetz im Sommer dieses Jahres in Kraft treten soll. Ein »Heartbeat«-Gesetz verbietet die Abtreibung ab dem Moment, in dem beim Fötus ein Herzschlag festzustellen ist, faktisch also fünf bis sieben Wochen nach der Empfängnis, was einen Schwangerschaftsabbruch in vielen Fällen so gut wie unmöglich macht, unter anderem, weil viele Frauen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind.

Es ist eine willkürliche Grenze, daher kamen die meisten dieser Gesetze bislang in den Abgeordnetenhäusern nicht durch oder wurden später von Gerichten aufgehoben. Aber genau darum geht es. Die neue, härtere Gesetzgebung soll »Abtreibung kriminalisieren«, so Terri Collins, eine republikanische Abgeordnete im US-Bundesstaat Alabama. Sie hofft darauf, dass das texanische Gesetz vor den Bundesgerichtshof kommt, »damit Roe v. Wade gekippt wird«. Es ist das erklärte Ziel, einen Rechtsstreit zu provozieren, der das verhasste Recht auf ­Abtreibung in den USA abschaffen könnte. Mit Trumps Ernennung zweier standfester Konservativer zu Richtern am Obersten Gerichtshof – Neil Gorsuch und der umstrittene Brett Kavanaugh – scheint dieser Traum in greifbare Nähe gerückt zu sein. Doch ebenso gut ist es denkbar, dass das Vorhaben scheitern wird. Immerhin besteht das Oberste Bundes­gericht aus neun Richterinnen und Richtern und dessen Vorsitzender, John Roberts, ist dafür bekannt, bestehende Präzedenzfälle als bindend zu betrachten. Ob er das bei »Roe v. Wade« auch tun würde, ist unklar.