Die jihadistischen Anschläge auf Sri Lanka und das Versagen der Behörden sorgen für anhaltende Unruhe im Land

Die Behörden haben versagt

Bereits Monate vor den jihadistischen Attacken vom Osterwochenende verfügten sri-lankische Behörden über detaillierte Informationen über das Terrornetzwerk.

Der Schock sitzt tief. Über eine Woche liegen die jihadistischen Osteranschlä­­ge in Sri Lanka zurück, die Situation in dem südasiatischen Inselstaat ist aber nach wie vor angespannt. Die Zahl der Todesopfer wurde von 359 auf 253 korrigiert, was nichts daran ändert, dass die unerwarteten Terrorattacken auf mehrere Luxushotels, Kirchen, ein Wohnvier­tel und ein kleineres Hotel Wirkung zeigen. Die Anschläge sind fortwährend Thema in der Öffentlichkeit und die Angst vor erneuten Attentaten besteht weiterhin. Denn auch für das Wochenende nach dem Ostersonntag gaben die sri-lankische Regierung und die US-Botschaft Warnungen heraus und rieten dazu, öffentliche Plätze und Glaubensstätten möglichst zu meiden. Die Namen der Selbstmordattentäter, die aus wohlhabenden, gebildeten Familien stammten, sind bekannt, aber längst nicht alle Mittäter sind gefasst. In den Nachrichten wird täglich von neuen Verhaftungen berichtet, Fahndungsfotos von jungen Menschen werden veröffentlicht. Am Montag verbot ein Erlass des Präsidenten Maithripala Sirisena das Tragen von Gesichtsschleiern. Viele Bürgerinnen und Bürger trauen sich nicht, zur Arbeit zu gehen, sich länger draußen auf­zuhalten oder öffentliche Transportmittel zu nutzen. An eine Rückkehr zur Normalität ist unter diesen Umständen noch lange nicht zu denken.

Kabinettsprecher Rajitha Senaratne, Präsident Sirisena und Ministerpräsident Ranil Wickremesinghe gaben bei mehreren Pressekonferenzen zu verstehen, dass der indische Geheimdienst seit Anfang des Monats mehrfach vor solchen Anschlägen gegewarnt habe, dies aber von den Verantwortlichen im Polizei- und Sicherheitssektor nicht ernst genommen worden sei. Die Politiker selbst seien nicht informiert worden. Der britische Guardian hingegen berichtete unter Berufung auf anonym bleibende regionale und westliche Offizielle, bereits seit vier Monaten hätten informelle Gespräche zwischen indischen und sri-lankischen Ermittlern stattgefunden, in denen Details über ein islamistisches Netzwerk in Sri Lanka weitergegeben worden seien, das vermutlich terroristische Anschläge plane.

Im Laufe der vorigen Woche wurden mehrere Verantwortliche in hohen Positionen des Sicherheitsapparats entlassen, so zum Beispiel der nationale Polizeichef Pujith Jayasundara und der Staatssekretär des Verteidigungsministeriums, Hemasiri Fernando. ­Beide gaben nach der Tat eher Rechtfertigungen als Entschuldigungen ab, ebenso wie Präsident Sirisena selbst. Am Montag hieß es aus Regierungskreisen, Polizeichef Jayasundara »widersetze« sich seiner Entlassung durch ­Sirisena.

In der Bevölkerung lösen das behördliche Versagen und die hernach gezeig­­te Uneinsichtigkeit anhaltende Empörung aus, was sich bis hin zu öffentlichen Rücktrittsforderun­gen an den Präsidenten und den Ministerpräsidenten äußert. Denn die seit Jahren ausgetragene per­sönliche und politische Fehde zwischen den beiden höchsten Ver­tretern des Staats wird als einer der Gründe für die inkompetente Behandlung der Warnungen vor Terroranschlägen erachtet.

Die Ermittlungsergebnisse sind noch lückenhaft. Zwar reklamierte der »Islamische Staat« (IS) am Dienstag voriger Woche die Anschläge für sich, aber handfeste Beweise sind noch nicht vorhanden. Die sri-lankische Regierung gab bekannt, dass die bisher eher unauf­fällige radikal islamistische Gruppierung National Thowheeth Jama’ath (NTJ) verantwortlich und eine Beteiligung international agierender ­Islamisten wahrscheinlich sei. Darauf deuteten die Art des Vorgehens, die Reichweite des Netzwerks und die benutzten Waffen hin, die die Möglich­keiten einer nur lokal agierenden Gruppe wohl übersteigen. Der für die Atten­tate mutmaßlich Hauptverantwortliche, der Hassprediger und Anführer der NTJ, Zahran Hashim – der aller Wahrscheinlichkeit nach auf einem Video des IS zu sehen ist, wie er mit einigen anderen Vermummten den Treueid zu Abu Bakr al-Bagdhadi, dem Anführer des IS und »Kalifen«, ablegt –, sei bei einem der Hotelanschläge gestorben, so Sirisena. Er gab gleichzeitig bekannt, dass es mutmaßlich zwischen 130 und 140 Personen in Sri Lanka gebe, die Kontakte zum IS pflegten. Dass die sri-lan­kische Regierung auf derartige Formen der jihadistischen Radikalisierung nicht vorbereitet war, zeigte sich an Äußerungen Wickremesinghes. Dieser gab der Presse zu verstehen, dass es in Sri Lan­ka noch keine Gesetze gebe, um gegen Personen vorzugehen, die sich einer ausländischen Terrororganisation anschließen. Sirisena sagte zudem, es gebe keine Rechtsgrundlagen für ein Verbot der NTJ.

In der Bevölkerung bestehen nun große Vorbehalte gegen die tamilsprachige muslimische Minderheit, die etwa neun Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht und sich als eigene ­ethnische Gruppe versteht. Aus bestimmten Regionen sind Muslime, nachdem Drohungen ausgesprochen und Geschäfte niedergebrannt worden waren, bereits geflohen. In Negombo, einem der Anschlagsorte, flüchteten etwa 500 Anhänger der Ahmadiyya-Sekte, die bereits aus Pakistan geflohen ­waren, nach Übergriffen an einen unbekannten Ort. In sozialen Netzwerken wie auf der Straße werden offen antimuslimische Einstellungen verbreitet. Bereits vor den Anschlägen bestanden gewisse ethnoreligiöse Spannungen – zwischen Hindus und Christen, zwischen Buddhisten und Hindus, zwischen Buddhisten und Muslimen. Die berechtigte Sorge vieler zivilgesellschaftlicher Akteure ist nach den Anschlägen daher, dass Konflikte zwischen Angehörigen der Religionsgemeinschaften sich weiter zuspitzen. Die Tourismusbranche, die in den vergangen Jahren boomte, befürchtet wegen der Terroranschläge empfindliche Einbußen.