»Islamischer Staat« in der Demokratischen Republik Kongo

Jihad im zentralen Afrika

Die jihadistische Terrororganisation »Islamischer Staat« hat erstmals einen Angriff in der Demokratischen Republik Kongo für sich reklamiert. Inwieweit sie mit lokalen Rebellengruppen zusammenarbeitet, bleibt allerdings unklar.
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Vor wenigen Wochen, Mitte April, beanspruchte die Terrororganisation »Islamischer Staat« (IS) zum ersten Mal die Verantwortung für einen Angriff auf Regierungssoldaten in der Demokratischen Republik Kongo. Im kongolesisch-ugandischen Grenzgebiet hätten ihre Kämpfer drei Personen getötet und fünf verwundet, hieß es in einer Nachricht des IS-Propagandamediums Amaq. Die Armee bestätigte, dass zwei Soldaten getötet worden seien.

Vor allem aus den USA kamen postwendend alarmierte Berichte von Think Tanks, die sich mit Jihadismus beschäftigen und bereits seit einigen Jahren Indizien für eine Ausbreitung des IS im Ostkongo sammeln, allerdings ohne sich für den größeren politischen und sozialen Kontext in der Region zu int­eressieren. Diesen Berichten zufolge arbeiten eine lokale ugandisch-kongole­sische Rebellengruppe, die Allied Democratic Forces (ADF), und der IS immer enger zusammen. Bei einem getöteten Kämpfer der ADF sei ein IS-Leitfaden gefunden worden, der auch im Nahen Osten zirkuliert.

Der US-amerikanische Think Tank Bridgeway Foundation berichtete, seine Mitarbeiter hätten mit niederrangigen ehemaligen ADF-Kämpfern aus verschiedenen Ländern gesprochen und Finanztransaktionen zwischen den ADF und IS-Kadern nachverfolgt. Ein Bericht, den die Bridgeway Foundation zusammen mit der renommierten Congo Research Group von der New York University veröffentlicht hat, stützt sich auf Videomaterial, das ein angebliches ADF-Mitglied im Internet veröffentlicht hat. Darauf sind Angriffe der ADF, Nahkampftraining, die Versorgung von Verwundeten und die islamistische Indoktrination von Kindergruppen zu sehen. Während die Congo Research Group das Material sehr zurückhaltend interpretiert, ist Laren Poole von der Bridge­way Foundation, ein Mitautor des Berichts, überzeugt, dass es eine Verbindung zwischen den Islamisten aus dem Nahen Osten und den ADF gibt: Der IS »kooptiert im Grunde eine Gruppe im Kongo, die seit einiger Zeit Gräueltaten gegen Zivilisten ausführt«, behauptete er im Gespräch mit der New York Times. Die Zeitung zitiert passend dazu einen Sprecher des US-Militärs, der den ADF »bedeutende Verbindungen zum ›Islamischen Staat‹ bescheinigt.

Nun ist allerdings das auffälligste Merkmal der ADF, dass es keine Informationen von der Gruppenführung selbst gibt und auch insgesamt sehr wenig gesicherte Fakten bekannt sind. Auch zur angeblichen Verbindung zum IS hat sich die Gruppe nicht geäußert.

Bereits in der Vergangenheit waren Angriffe und andere Aktivitäten der ADF falsch zugeordnet worden, wie unter anderem die Congo Research Group aufgedeckt hat. Die Recherchen dieser Gruppe haben auch Hinweise auf eine geheime Zusammenarbeit zwischen Einheiten der kongolesischen Armee und den ADF zu Tage gebracht. Auch die UN-Stabilisierungsmission Monusco zeigte immer wieder ihr tiefes Misstrauen gegenüber einzelnen Kommandanten der kongolesischen Armee, mit denen zusammen sie die Gruppe eigentlich bekämpfen soll. Die offenbar kaum über Kenntnisse des Kongo ver­fügende Autorin der New York Times konstatierte, der IS könne durch die Koop­tation der ADF »seine Flagge in dieser Region pflanzen und so nicht nur auf dem Kontinent expandieren, sondern dies auch weit abseits des Zugriffs internationaler Kräfte« tun. Die Monusco hat mit schweren Waffen und Kampfhubschraubern ausgestattete Blauhelmsoldaten wenige Kilometer von den ADF-Stellungen entfernt stationiert.

Die Existenz der ADF hilft einflussreichen politischen Kräften aus dem Kongo, Uganda und darüber hinaus, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und damit Mittel zu generieren. Der seit Januar amtierende kongolesische Präsident Félix Tshisekedi warnt wie bereits sein Amtsvorgänger Joseph Kabila vor einer Ausbreitung des IS – um sich den USA als Verbündeter im Antiterrorkrieg anzudienen. Ähnliche Strategien haben seine Amtskollegen aus Uganda und Ruanda erfolgreich verfolgt. Truppen aus diesen Ländern sind nun, finanziert mit internationalen Mitteln, in verschiedenen nordostafrikanischen Ländern stationiert. Gut möglich, dass Tshisekedi sich US-Militärhilfe erhofft, mit der er seine begrenzte innenpolitische Macht ausbauen könnte.

Die ADF haben immer wieder gezeigt, dass sie auch überraschende Allianzen eingehen, um das eigene Überleben als Organisation zu sichern. Wie es scheint, beteiligt auch der IS sich nun an diesem Spiel, ohne dass die Islamisten tatsächlich besondere Einflussmöglichkeiten auf die ADF haben müssen. Nach der Auflösung des »Kalifats« in Syrien hat der IS bekanntgegeben, in an­deren Regionen den Kampf weiterführen zu wollen – auch das zentrale Afrika wurde dabei gelegentlich erwähnt.