Der Film »Fighting with My Family«

Skandalfrei auf die Leinwand

Der Film »Fighting with My Family« zeigt eine hollywoodgerechte Version des Lebens der britischen Wrestling-Familie Bevis, deren einzige Tochter in den USA berühmt wurde.

Sie warf die schwarzen Haare zurück und brüllte im Ring und gelegentlich, auch zu Demonstrationzwecken, in Talkshows martialisch; sie erzählte freimütig von den blauen Flecken an ihren Brüsten, bewegte sich irgendwo zwischen düsterem Gothic-Charakter, geradlinigem Witz und der aufreizenden Sexyness, die die Branche verlangt: Die Wrestlerin Paige ist damit überaus erfolgreich geworden, zumal sie authentisch erschien und bereits Wrestlerin war, bevor sie in die USA kam. Sie war eine von denen, die Frauen mehr Aufmerksamkeit in diesem Show-Sport verschaffte.

»In den USA bist du als Frau im Wrestling nur T und A, Titten und Arsch.«

Mittlerweile hat sich Hollywood ihrer Lebensgeschichte angenommen. Der Film »Fighting with My Family« läuft zurzeit in den Kinos. Er wurde selbstverständlich von dem Unternehmen World Wrestling Entertainment (WWE) finanziert und erzählt eine bekannte Story mit einer leichten Variation: Die Tellerwäscherin wird zur Königin des Wrestlings. Dabei hat Paige ihre Karriere bereits beendet – im Alter von nur 25 Jahren, nach langwierigen Verletzungen und Skandalen, die im Film nicht vorkommen. Paige, mit bürgerlichem Namen Saraya-Jade Bevis, war sehr schnell ganz oben – und dann sehr schnell von Problemen belastet. Ihre bemerkenswerte Geschichte wäre noch eindrucksvoller, würde sie vollständig erzählt.

Auch Bevis’ Leben vor ihrem Einstieg bei WWE ist gut dokumentiert. Im Jahr 2012 strahlte der britische Channel 4 eine Dokumentation über ihre Familie aus, die im Wrestling unter dem Namen Knight auftritt. 25 Jahre war es da schon her, dass das 1955 erstmals übertragene britische Wrestling zuletzt im Fernsehen gezeigt worden war. Bei der Dokumentation handelt es sich eher um eine Milieustudie als um eine Sportsendung: Es geht um eine Arbeiterfamilie, die mit beschränkten Mitteln und großer Leidenschaft ihre eigene Wrestling-Show im britischen Norwich betreibt, um Männer mit Glatzen, dicken Bäuchen sowie um den Wunsch, zu überleben und dem Knast zu entkommen. Der Film zeigt eine Art Familienzirkus, der in kleinen Kellern vor vielleicht zehn Leuten auftrat, meist Zuschauer aus der weißen Arbeiterklasse. Die Wrestler-Familie Bevis / Knight hatte schlechte Zeiten gesehen, der Vater hatte im Knast gesessen, die Mutter war obdachlos gewesen. Wrestling und die Liebe hätten sie gerettet, betonen sie immer wieder vor der Kamera. Die ­eigenen Kinder sollten eines Tages selbstverständlich in der WWE antreten. Doch von den Brüdern, die alle in den Ring stiegen, schaffte es keiner nach oben. Nur der Tochter Saraya sollte es unter ihrem Ring­namen Paige gelingen.

Die schwarz gekleidete, stark geschminkte junge Frau mit dem losen Mundwerk trat schon früh traumwandlerisch sicher vor Publikum auf. Anfangs interessiert sie sich gar nicht so sehr für das Wrestling, weil ihr vieles einfach zufällt. Populär ist sie eben auch, weil sie hübsch ist. »Unser Topprodukt« nennt die Mutter ihre Tochter einmal. Überschweng­liche Liebe und Vermarktung liegen eng beieinander. »Jedes Familienmitglied ist wie ein Körperorgan, und Saraya ist das Herz«, sagt die Mutter in der Dokumentation, um sich schnell zu korrigieren: »Nein, das Blut.« Wer mehr über das Milieu erfahren will, aus dem Paige kommt, erhält in diesem Dokumentarfilm, der ebenfalls »Fighting with My Family« heißt, sehr gute Einblicke: Warmherzig und ohne Klischeebilder fängt er das Leben der Familie ein, ihre Klugheit und ihren flinken Witz, ohne die kühlen Mechanismen des Geschäfts oder die Probleme außer Acht zu lassen.

Wrestling, Arbeiterklasse und ­Familie – das sind hervorragende Zutaten für einen Hollywood-Film. Der US-amerikanische Wrestler und Schauspieler Dwayne Johnson sah die Dokumentation und wollte unbedingt einen Spielfilm aus dem Stoff machen. Dass dieser gar nicht so schlecht geraten ist, liegt zum einen an der Vorarbeit des Dokumentarteams – der erste Teil des Plots lag ja beinahe zum Nachspielen vor. Zum anderen kann die Besetzung überzeugen: Florence Pugh, die Paige selbstbewusst und kämpferisch spielt, Jack Lowden als loyaler, zeitweilig beinahe abstürzender Bruder Zak und Lena Headey als unkonventionelle und liebevolle Punk-Mum. Der Film versucht, einen Arthouse-Anspruch mit bodenständigem crowd-pleasing für die Paiges dieser Welt zu ver­binden, und das klappt in der ersten Hälfte ziemlich gut. Schwieriger wird es ab dem Punkt, an dem der Film die Vorlage verlässt und Paige in Florida zeigt. Dann verfällt »Fighting with My Family« in eine nervige Mischung aus WWE-Werbung und Kalendersprüchen: Gib niemals auf! Sei ganz du selbst! Du kannst alles schaffen! Die konstruierte Dramaturgie stimmt schon deshalb nicht, weil Paige sehr schnell sehr populär wurde, zu schnell für einen Film, der lieber erst das ganz tiefe Tal als Ausgangspunkt gezeigt hätte. Und den Kampf um einen Titelgewinn zum Finale des Films zu machen, war eine schlechte Idee. Schließlich ist Wrestling ein Show-Sport, bei dem Ergebnisse und Titel vorher abgesprochen werden.

Zudem ist aufschlussreich, mit welchen Wahrheiten es die WWE nicht so genau nimmt. Während Saraya 2011 für die WWE gecastet wurde, musste ihr Bruder Zak seinen Traum vom Profi-Wrestling begraben. Dieses dramaturgisch ergiebige Detail greift auch der Hollywood-Film auf. Dort heißt es immer wieder, Zak habe nicht »den Funken«, er sei eben charakterlich nicht geeignet fürs Profi-Wrestling. Der tatsächliche Grund dafür, dass der Bruder von der WWE abgelehnt wurde, ist jedoch ein ganz anderer: Sein Oberkörper war den Managern nicht muskelbepackt genug, wie in der Dokumentation zu sehen ist – so viel zu den vermeintlich sportlichen Kriterien der WWE. Dass sich auf dem Höhepunkt des Films, politisch korrekt inszeniert, ein bunter Haufen inklusive schwarzer Kids und Gutbetuchter bei Familie Knight versammelt, um gemeinsam Paige beim Wrestling zuzuschauen, ist auch eher Wunschdenken und entspricht nicht dem Milieu der Familie. Ordentliche Unterhaltung ist »Fighting with My Family« trotzdem bis zum Schluss. Nur lässt der Film eben wichtige Dinge aus.

Als Paige 2012 Profi-Wrestlerin in den USA wurde, entsprach ihr Naturell vielem, was die Branche gesucht hatte. In den letzten Abschnitten der Dokumentation von 2012, die Paige bereits in Florida zeigen, sagt sie stolz: »Sie wollen, dass ich ich selbst bin.« Da ist sie hin- und hergerissen zwischen Euphorie und Heimweh nach Norwich, zwischen dem American Dream und Tränen nach dem Skypen mit der Familie. Saraya-Jade Bevis ging allein in die USA, und vielleicht war das nicht zu ihrem Besten. »In den USA«, sagte sie geradeheraus, »bist du als Frau im Wrestling nur T und A, Titten und Arsch. In Großbritannien ist es eigentlich egal, wie du aussiehst. Ich will hier mehr einbringen, dass auch das Sportliche zählt.« Auch wegen ihres kritischen Mundwerks war sie schnell ein Star. Dem Zirkus konnte sie sich nicht immer entziehen.

Mit 21 Jahren ließ man sie zur bislang jüngsten WWE-Siegerin im Erwachsenenbereich werden. Das war eigentlich der Höhepunkt. 2016 ­erlitt Bevis eine schwere Nackenverletzung und fiel fast ein Jahr lang aus. Zugleich kamen die Skandale: zwei turbulente Beziehungen mit ­jeweils gelösten Verlobungen, Polizeieinsätze, Trennungen. Bevis arbei­tete innerhalb weniger Monate die gesamte Checkliste in Not geratener Prominenter ab: Zwei Mal in kurzen Abständen wurde sie von der WWE wegen Dopingvergehen gesperrt. 2017 entwendeten Hacker Sextapes und Nacktfotos von ihr und veröffentlichten sie im Internet. Die Leaks und das Online-Mobbing trieben Bevis in eine Magersucht, später berichtete sie von Selbstmordgedanken. Die Mutter tweetete, das Geschäft mache ihre Tochter kaputt.

Nach einer weiteren Verletzung musste die Sportlerin im Januar 2018 ihr Karriereende verkünden. Die WWE hat längst neue Sternchen gefunden. Bislang hält sich Paige dennoch im flüchtigen Geschäft: mit diversen fiktiven Managerposten in der inszenierten Storyline. In den Interviews, die sie zum neuen Film gibt, liefert sie das Geplauder eines Popstars und ist Meilen entfernt von dem mal schüchternen, mal vorlauten Mädchen von 2012. Die klügeren Dinge berichtet diesmal ihr Bruder Zak. Während er den neuen Film gesehen habe, habe er plötzlich Stolz auf all das gespürt, was er erreicht habe, obwohl ihm die große Karriere nicht gelungen sei. Zurzeit unterrichtet er Kinder im Wrestling. »Man muss sein Leben erst von ­außen sehen, um zu verstehen, was man geleistet hat«, sagt er.