Solidarität als Verbrechen

Leben retten? Verboten!

Seite 3

Das erste Urteil im Zusammenhang mit Hilfe auf dem Meer erging Mitte Mai in Valletta auf Malta. Claus-Peter Reisch, der Kapitän der »Lifeline«, eines Rettungsschiffs der Dresdner NGO Mission Lifeline, wurde zu einer Geldstrafe von 10 000 Euro verurteilt. Die »Lifeline« hatte im Juni 2018 vor der libyschen Küste 234 Flüchtlinge gerettet und war danach tagelang über das Mit­telmeer geirrt, weil sowohl Italien als auch Malta dem Schiff ein Anlegen verweigerten. Die »Lifeline« sei nicht korrekt registriert gewesen, behauptet die Justiz. »Es kann nicht sein, dass wir ein Registrierungspapier haben, das circa 25 000 andere Schiffe, die in den Niederlanden registriert sind, ebenso besitzen, und ausgerechnet unseres nicht gelten sollte«, sagte Reisch nach der Verhandlung. Die NGO legte Berufung ein.

Besonderes Aufsehen erregte auch der Fall von Sara Mardini. Die junge Syrerin und ihre Schwester, die Olympia-Schwimmerin Yusra Mardini, waren im Jahr 2015 aus Syrien geflohen. In einem Schlauchboot voller Flüchtlinge versuchten die beiden, von der türkischen Küste zur griechischen Insel Lesbos zu gelangen. Als das Boot in Seenot geriet, schwammen Sara und Yusra stundenlang und zogen das Boot mit seinen 18 Insassen an einem Seil hinter sich her. Später ließen sich beide in Berlin nieder. Yusra Mardini nahm 2016 als Mitglied einer Flüchtlingsmannschaft an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro teil und wurde so welt­bekannt. Sara Mardini engagierte sich danach in der Hilfsorganisation Emergency Response Centre International. Ende August 2018 wurde sie auf Lesbos zusammen mit weiteren Mitgliedern wegen des Verdachts der illegalen Flüchtlingshilfe festgenommen. Nach mehr als drei Monaten im Gefängnis kam sie Anfang Dezember 2018 gegen Zahlung einer Kaution aus der Untersuchungshaft frei. Das Ermittlungsverfahren gegen sie wird fortgesetzt.

Schließlich gibt es zehn ehemalige Crewmitglieder des Rettungsschiffs »Iuventa«. Ihre Anwälte rechnen damit, dass sie in den kommenden Monaten von der Staatsanwaltschaft Trapani auf Sizilien wegen Beihilfe zur illegalen Einreise angeklagt werden. Bis zu 20 Jahre Haft sind dafür als Strafmaß vorgesehen, dazu drohen bis zu 15 000 Euro Geldbuße pro nach Italien gebrachter Person. Insgesamt hat die Besatzung der »Iuventa« mehr als 14 000 Menschen aus dem Meer gerettet. Mindestens vier Anwälte dürften nötig sein, um die Besatzung zu vertreten, bis zu 200 000 Euro wird der Prozess dann kosten. Dazu kommt womöglich noch einmal so viel für Gutachten, Unterbringung von Zeugen und Spesen für Fachleute.