In Indonesien erkennt der unterlegene Präsidentschaftskandidat Prabowo Subianto das Wahlergebnis nicht an. Bei Protesten gab es Tote

Miserable Verlierer

In Indonesien kam es nach der Bestätigung der Ergebnisse der Präsidentschaftswahl zu Ausschreitungen von Anhängern des unterlegenen Kandidaten Prabowo Subianto mit mehreren Toten. Prabowo wird vor allem von fundamentalistischen Muslimen unterstützt.

Joko Widodo hat die indonesische Präsidentschaftswahl gewonnen. Das hatte sich schon nach Hochrechnungen am 17. April, dem Wahltag abgezeichnet. Am Dienstag voriger Woche wurde offiziell bestätigt, dass der Amtsinhaber und sein Vizekandidat Ma’ruf Amin auf 55,5 Prozent der Stimmen kamen. Sein Herausforderer, der ehemalige General Prabowo Subianto, und sein Vizekandidat Sandiaga Uno erhielten 44,5 Prozent. Anhänger des Wahlverlierers wollten dies nicht hinnehmen. Nach Bekanntgabe des offiziellen Ergebnisses kam es in den Straßen der Hauptstadt Jakarta zwei Tage lang zu gewaltsamen Aus­einandersetzungen zwischen bewaffneten Demonstrierenden und Ordnungskräften. Der Gouverneur von Jakarta, Anies Baswedan, sprach am Donnerstagvormittag voriger Woche von bislang acht Toten und über 700 Verletzten, darunter mindestens 79 Schwerverletzte. Noch ist unklar, wer für die Tötung verantwortlich ist.

Möglicherweise angestachelt von Provokateuren, versuchten Demonstrierende in das Gebäude der Wahlkommission einzudringen, warfen mit Steinen und setzten Fahrzeuge und Kioske in Brand.

2014 war Prabowo schon einmal ­Widodo bei den Präsidentschaftswahlen unterlegen und hatte vor dem Ver­fassungsgericht wegen Wahlbetrugs geklagt; dieses bestätigte das Ergebnis jedoch. Auch dieses Mal hatte sich Prabowo bereits am Wahltag zum Wahl­sieger erklärt und angekündigt, gegen das Ergebnis gerichtlich vorzugehen. Er wirft dem Wahlsieger Wahlfälschungen in großem Ausmaß vor. Bis auf ­wenige Unregelmäßigkeiten ist die Wahl Wahlbeobachtern zufolge aber korrekt verlaufen. Prabowo reichte seine ­Beschwerde vergangene Woche beim Verfassungsgericht ein, sie hat wenig Aussicht auf Erfolg.

Neben einer juristischen Anfechtung des Ergebnisses hatten Anhänger Prabowos, die sich vor allem aus extremistischen und fundamentalistischen muslimischen Kreisen rekrutieren, seit ­Wochen mit Massenprotesten gedroht. Amien Rais, ein ehemaliger Parlamentsvorsitzender und früherer Leiter der zweitgrößten islamischen Orga­nisation Indonesiens, Muhammadiyah, drohte gar damit, die »Macht des ­Volkes« zu entfachen, meinte damit aber islamistische Milizen.

Aus Angst vor Unruhen hatte die ­Nationale Wahlkommission die endgültigen Wahlergebnisse bereits einen Tag früher als angekündigt veröffentlicht. Die Polizei hatte 32 000 zusätz­liche Ordnungskräfte in die Hauptstadt beordert. Zunächst verliefen die Pro­teste vor dem Büro der Wahlkommission am Dienstagabend friedlich. Tausende Menschen beteten zusammen auf der Straße das tarawih, das Abendgebet im Ramadan, und brachen gemeinsam das Fasten. In der Nacht kam es zu den gewalttätigen ­Ausschreitungen. Möglicherweise angestachelt von Provokateuren, versuchten Demonstrierende in das ­Gebäude der Wahlkommission einzudringen, warfen mit Steinen und setzten Fahrzeuge und Kioske in Brand. Die Polizei reagierte mit dem Einsatz von Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen, um die Menge aufzulösen. Einige Stunden später brach im Zuge von Ausschreitungen ein Feuer in einer Unterkunft der Polizei in Petamburan in Jakarta aus.

Die Polizei behauptet, die meisten Provokateure seien von außerhalb Jakartas gekommen und bezahlt worden. Nach Behördenangaben wurden etwa 250 Personen festgenommen. ­Bereits am Montag vor den Unruhen war der ehemalige Armeegeneral ­Soenarko festgenommen worden, der nach Polizeiangaben zufolge zur Stürmung des Büros der Wahlkommission aufgerufen habe. Er wird bezichtigt, Waffen aus der ehemaligen Konfliktprovinz Aceh nach Jakarta geschmuggelt zu haben. Während der Unruhen entdeckte die Polizei ihrem Sprecher Muhammad ­Iqbal zufolge in der Nähe der Polizei­unterkunft in Petamburan auch einen Krankenwagen, der mit Steinen, Werkzeugen und Briefumschlägen mit ­Bargeld gefüllt gewesen sei und an dessen Außenseiten das Logo einer Partei geprangt habe – »Ich will nicht verraten, welches«, so Iqbal. Auf in ­sozialen Medien zirkulierenden Fotos, die angeblich den Krankenwagen ­zeigten, war an dessen Seiten das Logo von Gerindra zu sehen, der Partei ­Prabowos.

Mit der Begründung, die Verbreitung von Falschinformationen und Hetze zu verhindern und damit die Ausbreitung der Unruhen einzuschränken, ließ Sicherheitsminister Wiranto in einigen Gebieten zeitweilig den Zugang zu sozialen Medien blockieren. Immer wieder waren Gerüchte aufgetaucht, dass die Regierung chinesische Ordnungskräfte zu Hilfe gerufen habe. Wenngleich solche Behauptungen völlig absurd sind, fällt chinesenfeind­liche Hetze in Indonesien auf fruchtbaren Boden.

Die jüngsten Unruhen sind besorgniserregend. Genau vor 21 Jahren gab es in Jakarta nach Studentenprotesten ebenfalls blutige Unruhen, die letztlich zum Abgang des Diktators Suharto führten und das Ende seiner »Neuen Ordnung« einleiteten. Während der ­damaligen Proteste wurden allerdings auch schwere Menschenrechtsver­letzungen an der chinesischen Minderheit begangen. In den folgenden zwei Jahrzehnten demokratisierte sich Indonesien in vielen Bereichen erfolgreich, allerdings zeigen die jüngsten Unruhen, dass nach wie vor viele ­Angehörige der einstigen Führungsschicht politisch mächtig sind. Prabowo war der Schwiegersohn Suhartos und ein ehemaliger Anführer der Spezialeinheit des indonesischen Heeres, Kopassus. Zwar wurde er unehrenhaft aus der Armee entlassen, doch musste er sich nie für die ihm vorgeworfenen Menschenrechtsverletzungen während der Niederschlagung der Studentenproteste von 1998 verantworten.

Der jetzige Sicherheitsminister Wiranto, ein früherer Weggefährte Prabowos, war einst von der UN-Übergangsverwaltung in Osttimor, das sich 1999 von Indonesien abgespalten hatte, ­wegen Verbrechen gegen die Menschheit angeklagt worden, wurde aber nie verurteilt. Auch er hegte einst Hoffnungen auf das Präsidentenamt, doch nach einigen Rückschlägen merkte er, dass er an der Seite Widodos besser zum Zuge kommt. Amien Rais hingegen, einst ein Wortführer der Reformbewegung gegen Suharto, ist schon seit langem ein Bündnis mit extremistischen und fundamentalistischen Gruppierungen wie der Islamischen Ver­teidigungsfront eingegangen. Würde sich die alte Führungsschicht endlich aus der Politik verabschieden, wäre Indonesien – mit mehr als 260 Millionen Einwohnern die drittgrößte Demokratie der Welt – sehr geholfen.