US-Handelskrieg gegen China

Boykott und Gegenboykott

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Nun gelten chinesische Firmen landläufig, wie früher japanische und ab Mitte des vorvergangenen Jahrhunderts deutsche, als lediglich in der Lage, Industriegeheimnisse anderer Länder zu stehlen und fremde Produkte billig zu plagiieren. Im Falle von Huawei entspricht das jedoch nicht den Tatsachen, obwohl das Unternehmen 2003 in einem Prozess von dem Bezirksgericht in Texas noch eingestehen musste, den Router-Software-Code von Cisco Systems kopiert zu haben. Zwei Prozent von insgesamt 1,5 Millionen Code-Zeilen waren demnach geklaut worden, die allerdings umgehend entfernt wurden. Doch inzwischen hält Huawei mehr Patente im Bereich der Hochgeschwindigkeits-Mobilfunktechnologie 5G als jedes andere Tech-Unternehmen, nach einer Statistik des deutschen Unternehmens Iplytics 1 529. Es folgen Nokia (1 397) und Samsung (1 296). Das US-Unternehmen Qualcomm liegt mit 787 Patenten abgeschlagen hinter dem kana­dischen ZTW und Ericsson aus Schweden auf dem sechsten Platz, knapp vor dem koreanischen LG.

Dass Huawei bei 5G federführend ist, liegt auch am Engagement. Zu den ­regelmäßigen Meetings, bei denen internationale Telekommunikations-­Ingenieure sich mit den technischen Standards von 5G beschäftigten, schickte das Unternehmen mehr Experten als jedes andere Unternehmen. Es trug technisch mehr bei als alle anderen, wie Iplytics analysierte, zumal Huawei eine Menge Durchbrüche erzielen konnte. Zum Beispiel hat das Unternehmen gemeinsam mit Vodafone die 5G-Technologie in der Praxis ­bereits in niedrigen und hohen Frequenzbändern getestet. Dass Huawei nun nicht mehr am 5G-Standard ­mitarbeiten soll, alarmiert Ingenieure. Experten, die zu einem Meeting über 5G-Standards nach Newport ­Beach, Kalifornien, gereist waren, befürchten, dass die internationale Zusammenarbeit ein Opfer von Trumps »tech wars« werden könnte. Es sei aber unabdingbar, zusammenzuarbeiten, um die globale Vernetzung von Handys und ­Netzerken sicherzustellen. Die Einführung von 5G könne sich stark verzögern. Zudem gibt es bisher keinerlei Beweise für Spionage durch Huawei. Und der US-Präsident selbst weckte in einem Statement Ende Mai Zweifel daran, dass es wirklich um Spionage geht. »Wenn wir ein Handelsabkommen schließen würden«, sagte er, »könnte ich mir vorstellen, dass Huawei in irgendeiner Form auch darin enthalten sein würde.«

China kündigte Export­beschränkungen für seltene Erden an, die für die Produktion von Handys, Computern und Autos benötigt werden.

Zu diesem Zeitpunkt hatte er vermutlich schon festgestellt, dass die meisten Regierungen nicht willens waren, die Geschäftsbeziehungen zu Huawei abzubrechen. Gemeinsam mit dem russischen Telekommunikationsanbieter MTS soll Huawei 5G in Russland entwickeln. Auch in Afrika und Teilen Asiens hält man weiter an Huawei als Kooperationspartner beim 5G-Ausbau fest. In Europa ist die Bereitschaft zu einem Wechsel ohnehin nicht sehr groß, weil bereits bei 4G Huawei-Komponenten verwendet wurden und ein Austausch teuer werden dürfte. Brasilien erklärte vergangene Woche, bei 5G mit Huawei zusammenarbeiten, obwohl Präsident Trump seinen brasilianischen Amtkollegen Jair Bolsonaro bereits bei dessen US-Besuch im März gebeten hatte, auf chinesische Techno­logie zu verzichten. Tim Rühlig, China-Analyst beim schwedischen Utrikespo­litiska Institutet, nannte die Diskussion über Huawei im Magazin Foreign Policy »bescheuert und am Punkt vorbei«. Man könne getrost annehmen, dass China sich wie andere Länder auch »so oder so ins 5G-Netz hacken können wird, ob es nun mit Huawei-Equipment ausgestattet ist oder nicht«.