Small Talk mit Dr. Ulrich Undeutsch

»Erste Klage dieser Art«

Seit 2017 wird die Punkband Dr. Ulrich Undeutsch im sächsischen Verfassungsschutzbericht in der Kategorie »Linksextremistische Musikszene« geführt. In der vergangenen Woche haben die Musiker Klage gegen ihre Nennung eingereicht. Der Sänger Karli und der Gitarrist Tim haben mit der Jungle World gesprochen.
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Im Verfassungsschutzbericht erwähnt zu werden – ist das nicht die höchste Auszeichnung für eine Punkband?
Tim: Das sollte man meinen – wenn es sich nicht in Sachsen abspielen würde. Es ist ja kein Geheimnis, dass Sachsen ein strukturelles Problem mit dem Rechtsextremismus hat – man denke etwa an den Präsidenten des Verfassungsschutzes und die rechte Politik der CDU. Da erscheint es fast als logische Konsequenz, dass eine Band wie unsere in so einem Bericht landet. Leider ist es so, dass die Veranstaltungsorte, in denen wir spielen, tatsächlich Stress bekommen. Es wäre nicht in unserem Sinn, wenn subkulturelle Läden wegen unserer Auftritte schließen müssten. Und diese Gefahr sehen wir. Zudem sind wir auch nicht so bekannt, dass wir dank der Erwähnung einen Werbeeffekt spüren würden.

Mit welcher Begründung ordnet der Verfassungsschutz Ihre Band der »linksextremistischen Musikszene« zu?
Karli: Im Bericht von 2018 wird eines unserer Konzerte in Dresden angeführt, auf dem wir die »Themenfelder der autonomen Szene« wie Antifaschismus und Antirepression bedient haben sollen. Im Bericht von 2017 wurde ein Song zitiert, der offiziell gar nicht mehr verfügbar ist. Im Refrain heißt es: »Ich bin Punk, ich hasse diesen Staat, ich hasse das System.«

Wie werden die Veranstalter unter Druck gesetzt?
Tim: Vor dem Abschlussgig unserer Jubiläumstour 2017 zum zehnjährigen Bestehen im »AZ Dorf­trottel« in Waldkirchen hieß es beispielsweise plötzlich, das Bauamt wolle sich die Örtlichkeiten noch einmal ansehen. Es ließ sich aber nichts beanstanden, das Konzert fand statt.

Karli: Generell läuft es so: Der Verfassungsschutz informiert die Gemeinden und Städte darüber, dass wir auftreten wollen. Das landet dann auf irgendeinem Bürotisch. Im jüngsten Fall ist es so, dass wir am vergangenen Wochenende einen Auftritt bei der »Alternativen Rocknacht« in Leubsdorf gehabt hätten. Der Bürgermeister des Orts hat gesagt, die Veranstaltung dürfe nur stattfinden, wenn wir nicht spielen. Das wollten die Veranstalter nicht, weshalb der Bürgermeister die ganze Sache offiziell abgesagt hat. Manchmal ist es der Bürgermeister, manchmal ist es das Bauamt, manchmal ist es die Polizei, die anruft und noch ein dringendes Gespräch mit dem Veranstalter führen will.

Welcher Partei gehört der Bürgermeister von Leubsdorf an?
Tim: Der CDU.

Wie viele Auftritte hat Ihre Band im Jahr?
Karli: Zwischen zehn und 20. Aber nicht nur in Sachsen.

Läuft außerhalb von Sachsen alles problemlos?
Karli: In anderen Bundesländern interessieren sich die Behörden nicht sonderlich für uns.

Tim: Zu erwähnen wäre allerdings: Der bayerische Verfassungsschutz hat uns ebenfalls in seinem Bericht 2017 erwähnt – was uns sehr gewundert hat, da wir bisher nur zweimal in Nürnberg gespielt haben. Es heißt ja immer – etwa wenn es um den NSU-Komplex geht –, die Landesämter für Verfassungsschutz müssten sich nicht zwangsläufig untereinander austauschen. In dem Fall hat das sächsische Amt aber ­offenbar in Bayern offene Türen eingerannt.

Wie sind die Aussichten für die Klage gegen die Nennung im Verfassungsschutzbericht?
Karli: In Sachsen ist das die erste Klage dieser Art. Über die Aussichten können wir deshalb nichts ­sagen.
Tim: Es ist aber auf jeden Fall den Spaß wert.