Porträt - Kamala Harris

Hey, guys

Kamala Harris könnte in den USA die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten werden.

Die Vorwahlen finden zwar erst im kommenden Jahr statt, aber der US-Wahlkampf hat bereits begonnen. Bei der Democratic primary debate stellten sich in der vergangenen Woche 20 Kandidatinnen und Kandi­daten vor, und Kamala Harris war klare Siegerin nach Prozentpunkten. In einer Umfrage unter Demokraten hat sie nun zwölf statt sechs Prozent Unterstützung, damit liegt sie gleichauf mit Elizabeth Warren auf dem dritten Platz, hinter Bernie Sanders (19 Prozent) und Joe Biden (33 Prozent). Ihren Erfolg verdankt die Tochter eines Jamaikaners und einer Inderin vor allem der Kritik an Biden, der seine frühere Zusammenarbeit mit Anhängern der segregation, der Rassentrennung, im Kongress gepriesen hatte. »Ein kleines Mädchen in Kalifornien«, sagte sie, hätte ohne die Maßnahmen der Regierung zur Desegregation keine höhere Ausbildung bekommen. »Dieses kleine Mädchen war ich.«

Harris beherrscht auch den resoluten Ton, mit dem Ruf »Hey, guys« und einer strengen Mahnung brachte sie Ruhe in die Runde der wie ungezogene Schuljungs streitenden Kandidaten. Die ehemalige Staatsanwältin kann einen Law and order-Bonus geltend machen, präsentiert sich aber auch als »furchtlose Anwältin derer, die keine Stimme haben und verwundbar sind«. Es gibt allerdings Kritiker, die ihre staatsanwaltschaftliche Tätigkeit anders beurteilen. Harris’ Vorteil im parteiinternen Wettstreit ist, dass sie nicht den sich unversöhnlich gegenüberstehenden Lagern von Sanders und Biden angehört. Sie tritt für eine öffentliche Gesundheitsversorgung (»Medicare for all«) ein, will die Steuersenkungen für Reiche und Großunternehmen rückgängig machen und hat sich für einen »Green New Deal« ausgesprochen, ohne Details zu nennen, sagt aber in Abgrenzung zu Sanders: »Ich bin keine demokratische Sozialistin.« Die 54jährige könnte eine Kompromisskandidatin der Demokraten werden, wenn diese keinen harten ­Lagerwahlkampf mit Sanders führen, aber auch nicht zwanghaft einem von Biden repräsentierten Kurs der vermeintlichen Mitte folgen wollen. Manche Demo­kratinnen und Demokraten fragen: Warum nicht zwei Frauen, Harris und Warren, für die Präsidentschafts- und eine Vizepräsidentschaftskandidatur nominieren?