Der analoge Mann - Aus Kreuzberg und der Welt

Einbrecher!

Seite 2 – »Kreuzberg! Ha!«

»Wo sind die denn jetzt?« fragt unsere Freundin. »Auf dem ­Absatz zwischen dem ersten und dem zweiten Stock«, sage ich. »Andi, du musst die Polizei anrufen«, meint meine Freundin, zückt auch schon ihr Smartphone, wählt die Nummer und drückt es mir in die Hand. »Ja, hallo, hier ist Andreas Michalke, bei uns sind Einbrecher im Haus. Könnten Sie da mal jemanden vorbei schicken?« »Wie sehen die denn aus? Warum glauben Sie denn, dass es sich um Einbrecher handelt?« »Das sind zwei verstrahlte Vögel, so speckige Typen, die hier im Haus offensichtlich nichts zu suchen haben. ­Außerdem haben die leere Taschen dabei und Werkzeug.« – »Vögel? Das ist ja keine genaue Beschreibung. Woran erkennen Sie denn einen Einbrecher?« fragt der Mann von der Polizei. Ich beschreibe die Männer erneut, so genau ich kann. »Wo wohnen Sie denn?« – »In Kreuzberg.« – »Kreuzberg! Ha!«, lacht der Mann, »na, da müssen Sie sich aber nicht wundern, da laufen überall irgendwelche ›Vögel‹ rum. In Kreuzberg wird andauernd eingebrochen.« Er belehrt mich, als wäre ich gerade erst frisch nach Berlin gezogen.

Direkt in unserer Straße befindet sich ein großes Polizeirevier. Leider geht der Anruf nicht dort ein, sondern in der Zentrale, in der Kreuzberg ­offensichtlich einen kriminellen Ruf genießt. »Ich wohne seit 20 Jahren in diesem Haus. Solche Typen wie die, die jetzt im Treppenhaus stehen, habe ich bei uns noch nie gesehen. Hier wohnen nur Familien«, ver­suche ich zu erklären. »Tut mir leid«, sagt der Polizeimann, »da können wir leider nichts machen. Nur weil sich bei ihnen im Haus in Kreuzberg zwei unbekannte Personen aufhalten, schicke ich keinen Peter­wagen los.« Ich komme nicht weiter. Gespräch beendet. »Und, was hat die Polizei gesagt?« will meine Freundin wissen. »Sie wollen niemanden schicken.« »Sind die Typen denn noch im Haus? Geh’ doch mal zum Nachbarn und guck mit dem«, sagt sie und öffnet die Wohnungstür. Ich klin­gele an der Tür gegenüber, erkläre kurz die Situation und dann laufen wir auch schon die Treppen runter. Er ist Musiker. Bei ihm im Keller wurde vor kurzem eingebrochen und ein großes Keyboard gestohlen. Das Treppenhaus ist leer. Wir laufen in den Hinterhof und auf die Straße. Nichts. Die Männer sind weg.

Zwei Wochen später spricht mich Herr Yildirim an. Er ist aufgeregt. Bei ihm wurde eingebrochen. Im Keller. Aber es wurde nichts gestohlen. Im Gegenteil. Irgendjemand hat seinen Keller mit Autoreifen und Farbeimern vollgestellt. Er hat sich schon beschwert, aber die Hausverwaltung reagiert nicht. »Wenn da nicht bald was passiert, stell’ ich den ganzen Schrott einfach auf die Straße«, sagt er wütend. »Ist mir egal, dann stell’ ich das einfach raus. So eine Frechheit.«