Pride Weekend in Nordmazedonien

»Laut sein«

Seite 3 – »Deswegen möchte ich offen und laut sein.«
Interview Von

Wenn Sie in Chicago kein Drag gemacht haben, was hat Sie dann in Nordmazedonien daran gereizt?
Mor: An Drag war ich schon lange interessiert. Mit dem Hereinwachsen in meine queere Identität habe ich mich damit immer besser gefühlt. Als ich nach Mazedonien gekommen bin, habe ich mir vorgenommen, zu Drag-Shows in Serbien und Kroatien zu gehen, die es da öfter gibt. Ich dachte mir, das wird schon reichen, bis ich nach Chicago zurückgehe. Doch dann habe ich ­andere Leute getroffen. Eine meiner Schwestern aus dem Drag-Haus war in Paris und hat dort Drag gemacht und es dann vermisst. Es ist etwas, das wir machen wollten, also taten wir es.
In den USA sind Drag-Shows wichtig, um die Community zusammenzubringen. Und hier passierte das nicht. Es fühlte sich für mich manchmal an, als gebe es keine queere Community in Skopje. Es gibt viele queere Menschen, aber es fehlte ein Ort, an dem man sich treffen und man selbst sein konnte.
Nach unserer jüngsten Show hat mir jemand geschrieben, es sei für die queeren Leute hier das erste Mal gewesen, dass sie sich so offen und sicher gefühlt und einen Ort gefunden hätten, an dem sie einfach sie selbst sein, sich frei fühlen konnten. Für mich ist das der Grund, warum ich die Shows hier mache.

Die meisten Lesben und Schwulen in Nordmazedonien sind nicht ge­outet. Glauben Sie, die erste Pride und Ihre Shows können ihnen helfen?
Mor: In meiner mazedonischen Diaspora-Community gab es keine Sichtbarkeit von queeren Menschen. Deswegen möchte ich offen und laut sein, damit andere wissen, dass sie nicht alleine sind. Egal, ob das meine Cousinen in Chicago oder Menschen in einem kleinen Dorf in Mazedonien sind.

Sie moderieren ja das erste Pride-Weekend in Skopje. Bislang war es bei Premieren von Pride-Veranstaltungen in Osteuropa oft so, dass vor allem Aktivistinnen und Botschafts­mitarbeiter dort waren.
Socialista: Das ist ja auch absolut verständlich. Das erste Mal ist immer schwierig. Die Pride ist ja nicht nur da, um zu zeigen: »Schau mal, wie gay wir sind.« Es geht vor allem darum, jenen, die noch nicht geoutet sind, zu zeigen, dass es Unterstützung gibt.
Mor: Ich habe selbst lange überlegt, ob ich überhaupt zur Pride gehe. In Skopje, in Drag, am helllichten Tag, mitten in der Stadt – dadurch riskiert man, Opfer physischer Gewalt zu werden. Nach unserer zweiten Show im Januar wurde ein Artikel über uns veröffentlicht mit dem Titel: »Skopje, wie Sodom und Gomorrha«. Es war ein Foto von mir ab­gebildet und es wurde behauptet, Kinder seien dort dazu gezwungen worden, sich nackte Transvestiten anzuschau­en. Das war für mich ein Schock. Eine meiner Drag-Schwestern hatte Angst, weil sie vor ihrer Familie nicht geoutet ist und dort niemand weiß, dass sie schwul ist und diese Shows macht. Nach dem ersten Schock war es dann aber okay für mich. Ich habe mich damit abgefunden, dass solche Episoden dazu­gehören.

Die erste Pride ist immer etwas schwierig. Wie wird die Pride 2030 in Skopje sein?
Socialista: Ich hoffe mal, das wird dann die Party des Jahres.


Kaja Mor und Linda Socialista sind Drag-Queens und haben in Nordmazedonien am 29. Juni das erste Gay Pride Weekend in der Hauptstadt Skopje moderiert. Die »Jungle World« sprach mit beiden vor der Veranstaltung.