Ziemlich beste Freunde

Vom Bruder zum Partner

Seite 3 – Konfliktpotential gibt es zuhauf

Russlands Annexion der Krim und die Eskalation im Donbass sind für Belarus Bedrohung und Chance zugleich. Lukaschenko sicherte Russland seine Unterstützung zu, indem er die Krim zwar de facto als russisches Territorium anerkennt, nicht aber de jure. Das nachbarschaftliche Verhältnis zur Ukraine will er nicht gefährden, er bot sich stattdessen als Vermittler in dem Konflikt an. Davon zeugt das Minsker Abkommen vom Februar 2015, das allerdings wie der Unionsvertrag mit Russland nicht umgesetzt wird.

Lukaschenko konnte sicherstellen, dass Belarus nicht als Hinterland für russische Militäreinsätze missbraucht wird.

Immerhin kann Lukaschenko durch diese Rolle sicherstellen, dass Belarus nicht als Hinterland für russische Militäreinsätze in der Ukraine missbraucht wird. Allerdings hat das Folgen: rückläufige russische Investitionen und Subventionen. Das setzt Belarus unter Druck, ­finanzielle Unterstützung und Kredite aus anderen Quellen zu akquirieren.

Im Übrigen haben nicht nur der Präsident, sondern auch die belarussische Bevölkerung längst Gefallen an ihrer Unabhängigkeit gefunden. Inzwischen wich Lukaschenko sogar von seiner bisherigen Regel ab, die belarussische Sprache bei öffentlichen Auftritten prinzipiell zu vermeiden. Er präferiert an sich das Russische, die andere offi­zielle Staatssprache von Belarus. Kulturell stehen sich die beiden Länder sehr nahe und das russische Staats­fernsehen erreicht mit seinen Botschaften mehr Menschen, als dies in anderen Staaten mit einer russischen Minderheit der Fall ist. Die Meinungsbildung wird somit stark beeinflusst, aber die lange Zeit, die seit dem Zerfall der Sowjetunion vergangen ist, hat deutlich gezeigt, dass man auch ohne eine Union mit Russland auskommen und von freundschaftlichen Verhältnissen profitieren kann.

Ob dies so bleiben wird, ist eine offene Frage. Konfliktpotential gibt es zuhauf, beispielsweise wegen des Erlasses Lukaschenkos, der EU-Bürgerinnen und Bürgern seit 2017 unter bestimmten Bedingungen einen visumfreien Kurzaufenthalt in Belarus ermöglicht. Die Krux an der Sache ist, dass nach wie vor keine klaren Grenzregelungen existieren. Menschen mit russischem oder belarussischem Pass haben dem Unionsvertrag zufolge freie Wohnortwahl. Die belarussische Regierung kümmert es wenig, ob auch weiter gen ­Osten reist, wer keinen belarussischen Pass hat. Die russische Regierung ­hingegen ist darüber erbost und verhindert vermehrt Einreisen von Ausländern auf dem Landweg über Belarus. Ein Eklat nach dem anderen folgte. Im Frühjahr zog Russland seinen Botschafter Michail Babitsch aus Minsk zurück, nachdem sich das belarussische Außenministerium darüber beschwert hatte, dass Babitsch in Hinblick auf Belarus keinen Unterschied sehe zwischen einer russischen Region und einem unabhängigen Staat. Noch vor zwei Jahren bezeichnete Lukaschenko seinen Amtskollegen Putin als Bruder, mittlerweile sind die beiden nur noch »Partner«.