Parlamentswahlen in der Ukraine

Der Diener wird Chef

Seite 2 – Fraktion unter Kontrolle?

Am Montag wurde nach der Aus­zählung von über zwei Drittel der Stimmen jedoch klar: »Diener des Volkes« verfügt in der nächsten Werchowna Rada, dem Einkammerparlament der Ukraine, über 250 Sitze und kann da­mit als erste Partei seit der Lösung des Landes aus der Sowjetunion allein die Regierung stellen. Dabei hatte der Partei­vorsitzende Dmytro Rasumkow zuvor bereits über eine mögliche Koalition mit der ebenfalls neuen, liberalen Partei »Stimme« des Rocksängers Swjatoslaw Wakartschuk gesprochen. Nun scheint eine Koalition nicht mehr nötig zu sein.

»Das ist eine große Verantwortung«, sagte Selenskyj am Sonntagabend, noch ohne zu wissen, dass es für die absolute Mehrheit reichen sollte. Der 41jährige nannte die Beendigung des Krieges im Donbass und den Kampf gegen Korruption als Prioritäten. Außerdem sollen bald ein Amts­ent­hebungs­gesetz für das Staatsoberhaupt sowie Gesetze über die Aufhebung der strafrechtlichen Immunität für Abgeordnete, den Präsidenten und Richter vorgelegt werden. Sein Konzept »Das Land in einem Smartphone«, das die Digitalisierung der Wirtschaft und des staatlichen Apparats nach dem Beispiel Estlands voranbringen soll, erwähnte Selenskyj ebenfalls.

In den vergangenen Monaten konnte der Präsident noch auf den Konflikt mit dem Parlament verweisen, das so gut wie alle seine Vorschläge abgelehnt hatte. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob er sowie die jungen und unerfahrenen Abgeordneten, die nun für »Diener des Volkes« ins Parlament einziehen, ihre Vorhaben verwirklichen können. Rasumkow gilt als Favorit für das Amt des Parlamentsvorsitzenden. Die Frage ist, ob die heterogene Fraktion unter Kontrolle gehalten werden kann.