Parlamentswahlen in der Ukraine

Der Diener wird Chef

Seite 3 – Ministerpräsident ohne politische Erfahrung

Was die Regierungsbildung angeht, will Selenskyj offenbar einen erfahrenen Ökonomen ohne einschlägige politische Vergangenheit zum Ministerpräsident ernennen. Als Kandidaten gelten derzeit zwei Führungspersonen des staatlichen Energiekonzerns Naftohas (Naftogas), dessen Leiter Andrij Kobolew und leitender Manager Jurij Witrenko, sowie Wladislaw Raschkowan, der Vertreter der Ukraine beim Internationalen Währungsfonds (IWF),  Außerdem sollen auf Wunsch Selenskyjs einige Ministerien zusammengeführt werden.

»Wir müssen offenbar über eine Koalition nicht mehr reden, weil wir ein recht gutes Ergebnis haben«, sagte Rasumkow am Montag. »Aber wir sind grundsätzlich bereit, mit allen Kräften in der Werchowna Rada zusammenzuarbeiten, die ähnliche Werte vertreten.« Dass Vertreter der Partei »Stimme« ­Ministerposten besetzen könnten, hat Rasumkow jedoch de facto ausgeschlossen, als er meinte, dass seine Partei zwei oder drei Kandidaten für jede Position habe. Grundsätzlich schließen Rasumkow und Selenskyj nur die Zusammenarbeit mit der prorussischen Partei »Oppositionsplattform – Für das Leben« aus, die mit rund 13 Prozent der Stimmen auf den zweiten Platz kam. Ein bemerkenswertes Ergebnis für die Partei des persönlichen Freundes des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Wiktor Medwedtschuk, der jedoch mit einem größerem Erfolg gerechnet hatte.

Mit rund acht Prozent der Stimmen ziehen außerdem die Parteien »Vaterland« der zweifachen ehemaligen ­Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko und »Europäische Solidarität« von Poroschenko ins Parlament ein, sie werden aber kaum eine größere Rolle spielen. Wakartschuks Partei »Stimme« bekommt voraussichtlich 20 Sitze und wird die kleinste Fraktion. Es ist aber die Partei, in die der politisch progressive und aktive Teil der ukrainischen Gesellschaft die größten Hoffnungen setzt – unter anderem, weil die Partei­listen mit NGO-Mitarbeitern, Journalisten und mittelständischen Unternehmern mit gutem Ruf besetzt waren.