Die junge Frau als Heldin

Oh Captain, mein Captain

Seite 5 – Wonder Woman und Ursula von der Leyen
Essay Von

Man wird also zunächst einmal mit der Ambivalenz der Medienbilder der neuen Heldinnen leben müssen. Dann erst wird man sich fragen können, ob nicht das Wort an sich schon kontaminiert ist.

Johann Heinrich Zedlers »Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste« aus der Mitte des 18. Jahrhunderts definierte: »Held, lat. Heros, ist einer, der von Natur mit einer ansehnlichen Gestalt und ausnehmender Leibesstärcke begabet, durch tapfere Thaten Ruhm erlanget, und sich über den gemeinen Stand derer Menschen erhob.« Viel hat sich seither am Heldenbild nicht geändert: Man – oder Mann – ist es »von Natur« aus, durch außergewöhnliche Begabung und mit dem Zweck, sich über seine Mitmenschen zu erheben. Was sich in der Moderne allenfalls änderte, war das Bewusstsein des Helden und seine Bindung an Systeme zur Bestimmung von Moral und Wert.

Was der Held, anders gesagt, in komplexeren Gesellschaften verlieren musste, war seine Autonomie. So spalteten sich die beiden Verfallsformen – ein Dekadenzstadium – vom Helden ab: Der Held, der nicht von sich aus heldisch ist, sondern erst zum Helden gemacht werden muss (und manchmal auch nur zum Bild des Helden), und der Held wider Willen, der Held, der mit seinen Moral- und Wertsystemen hadert, namentlich der ­moderne Superheld, der mehr mit Selbstzweifeln und Loyalitätskonflikten beschäftigt ist als mit seinen Gegnern.

Seit geraumer Zeit arbeitet die populäre Kultur daran, die Heldenrolle, auch und gerade in ihrem Dekadenzstadium, weiblich zu besetzen  – genau so wie die Politik in der nicht unrauen Wirklichkeit daran arbeitet, traditionelle und neue Machtpositionen weiblich zu besetzen. Den Comic-Heldinnen Wonder Woman und Captain Marvel entsprechen im real life die Politikerinnen Angela Merkel und, tja nun, ­Ursula von der Leyen. Wie viel die weibliche Besetzung der Heldenrolle oder die weibliche Besetzung der Machtposition wirklich ändert, darüber kann man streiten oder es in den Einzelfällen bis in die letzten Gesten und Konsequenzen verfolgen.