Die aggressive Außenpolitik der Türkei

Von Terroristen umzingelt

Seite 3 – Größenwahn aus Verunsicherung

Während ein Großteil der Opposition der Terrorunterstützung bezichtigt wird, benutzt Erdoğan für die angeblichen ausländischen Intrigen gegen die Türkei gern den Begriff des »Wirtschaftsterrorismus«. Dieser sei für den Verfall der türkischen Lira, die steigende Arbeitslosigkeit und die hohe staatliche und privatwirtschaftliche Verschuldung verantwortlich. Die von regierungsnahen Kartellen kontrollierten Medien verbreiten diese Anschuldigungen unhinterfragt.

Der Politikwissenschaftler Burak Bilgehan Özpek sagte vergangene Woche in einem Podcast für Ahval, dass Erdoğan den ständigen Ausnahmezustand brauche, um an der Macht zu bleiben. Der ehemalige Wirtschaftsminister Ali Babacan hat bereits die AKP verlassen und plant die Gründung einer eigenen Partei, die vor allem der außenpolitischen Isolation und der desaströsen Wirtschaftspolitik entgegentreten soll. Erdoğan reagierte darauf mit dem Vorwurf, Babacan versuche, die Ummah, die Gemeinschaft aller Muslime, zu spalten. Den Begriff Ummah in einer politischen Debatte auf diese Art zu benutzen, ist absurd, denn die Türkei ist nur eines von vielen islamischen Ländern und Erdoğan ist einzig und allein politisches und nicht geistliches Oberhaupt des Landes. Die sich immer öfter zeigenden Anwandlungen von Größenwahn sind Özpek zufolge Ausdruck der Ratlosigkeit und tiefen Verunsicherung der türkischen Regierungsspitze.

Babacan gehört zu denjenigen, die vor fast 20 Jahren die AKP nach der Abspaltung von der Wohlfahrtspartei Necmettin Erbakans gegründet hatten. Erdoğan, ein politischer Ziehsohn ­Erbakans, wurde damals vor allem deshalb zum Anführer dieser Erneuerungsbewegung, weil er als äußerst ­erfolgreicher und beliebter Oberbürgermeister von Istanbul 1999 seines Amtes enthoben worden war und als Volksverhetzer eine Gefängnisstrafe verbüßen musste, weil er ein Gedicht ­zitiert hatte. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet. Trotz Annullierung der ersten Oberbürgermeisterwahl Ende März in Istanbul gewann nach 25 Jahren islamisch-konservativer Herrschaft der Kandidat der Opposition den zweiten Wahlgang Anfang Juli deutlich. Selbst einige AKP-Wähler empfanden die ständigen Einmischungen des Präsidenten in den Wahlkampf als unangebracht und gingen entweder nicht wählen oder zogen den Oppositionskandidaten vor.