Sexualisierter Hass auf Aktivistinnen

Vorsicht, Vagina

Seite 2 – Vergewaltigungsphantasien

Dann drang sie illegal mit ihrem 50 Meter langen Schiff in den Hafen von Lampedusa ein, rammte sogar noch ein Polizeiboot und nahm ihre Inhaftierung in Kauf. Wenn am Kai des Hafens ein Italiener daraufhin lautstark mitteilte, er hoffe, sie werde von »den Negern an Bord vergewaltigt«, drückte er in rohen Worten nur einen Wunsch aus, der offenbar viele umtrieb. So schrieb Wolfgang Ackner, ein Autor der »Achse der Guten«, auf Facebook noch am selben Tag, er hoffe, Rackete werde von einer Gruppe neuer Gäste mit »ficki ficki«-Wunsch besucht. Auf Seiten, die ansonsten eher dem Wutbürger-Milieu mit den besseren Tischmanieren zuzurechnen sind, tippten Kommentatoren ihre Assoziationen zu »deutsche Frau – schwarze Männer – illegale Flüchtlinge – gewalt­samer Sex« in die Tastatur.

Diese Reaktionen erinnern frappierend an Mechanismen, die Klaus Theweleit in seinem Buch »Männerphantasien« beschreibt: Wann immer sich fragile männliche Identitäten bedroht fühlen, entwerten sie die als Bedrohung wahrgenommenen Frauen und reduzieren sie auf ihre Geschlechtlichkeit. Erst wenn man sich selbst und gegenseitig überzeugt hat, dass Frauen wie Carola Rackete nicht etwa aus hehren Motiven und rationalem Kalkül handeln, sondern von Trieben und einer »inneren Leere« (Tichys Einblick) gesteuert sind, lassen die Ängste kurzfristig etwas nach, hat die Abwehr bis zum nächsten Mal halbwegs funktioniert. Besser noch erklärt man Rackete auch zur Inkarnation des »hässlichen Deutschen« (Achse der Guten), ja eigentlich zum wiedergekehrten Nazi – diesmal nur ohne Stahlhelm auf dem Kopf. Wer ihr Vergewaltigung oder Ähnliches wünscht, will sich im Deutschland des Jahres 2019 nicht nur als Beschützer deutscher Frauen, sondern auch noch als zeitgemäßer Antifaschist fühlen.