Haitis neuer Ministerpräsident

Der Nächste, bitte

Haiti hat einen neuen Regierungschef. Ein dankbarer Job ist das nicht, aber allemal besser, als in bitterer Armut leben zu müssen, wie viele seiner Landsleute.
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Ein dankbarer Job ist das sicher nicht, aber allemal besser, als in bitterer Armut leben zu müssen, so wie viele seiner Landsleute. Am 22. Juli wurde Fritz-William Michel zum Ministerpräsidenten Haitis nominiert. Drei seiner Vorgänger waren innerhalb eines Jahres zurückgetreten. Der letzte, Jean-Michel Lapin, hatte aufgegeben, nachdem er es drei Monate nicht geschafft hatte, eine funktionsfähige Regierung zu bilden.

Seit etwa einem Jahr steckt Haiti in einer tiefen poli­tischen und wirtschaftlichen Krise. Die Regierungsgeschäfte sind blockiert, der Wert der Währung fällt, der Benzinpreis steigt, die Gewalttätigkeit auch. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen berichtet, in den ersten drei Monaten dieses Jahres seien 238 Menschen mit Schussverletzungen in einer Notfallambulanz in der Hauptstadt Port-au-Prince behandelt worden, doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Immer wieder kam es zu Protesten gegen die Regierung, bei denen zahlreiche Menschen starben. Deren Anlass war ein Korruptionsskandal um Petrocaribe, ein Abkommen, durch das Karibikstaaten subventioniertes Erdöl aus Venezuela erhalten. Unter der Regierung Präsident Michel Martellys (2011 bis 2016) und der seines Nachfolgers Jovenel Moïse (seit 2017) – von Februar 2016 bis Februar 2017 war Jocelerme Privert Interimspräsident – sollen 3,8 Milliarden US-Dollar eines mit Petrocaribe verbundenen Staatsfonds veruntreut worden sein.

Michels Nominierung zum Ministerpräsidenten löste Kritik an Präsident Moïse aus – es handle sich um einen weitgehend unbekannten Politiker. Michel sollte Planungsminister unter Lapin werden, zuvor arbeitete er im Finanzministerium. Doch die Regierung Lapin kam nie zustande, bei Auseinandersetzungen zwischen Abgeordneten flogen im Juni Stühle und Tische; um Abstimmungen zu verzögern, trugen Parlamentarier Möbel aus dem Saal oder boykottierten Sitzungen. Lapins Vorgänger wiederum, Jean-Henry Céant, musste im März nach einem Misstrauensvotum gehen. Falls Moïse, statt eine neue Regierung einzuberufen, selbst zurückträte, dürfte das zumindest jene beruhigen, die dies derzeit wegen seiner mutmaßlichen Verstrickung in den Korruptionsfall fordern.