Eine Kulturgeschichte der Mauer

Gute Mauern, schlechte Mauern

Seite 6 – Ökonomische Kontrolle

Der berühmte Limes der Römer diente vor allem der Kontrolle von Handel und Grenzverkehr. Er sollte weniger eine uneinnehmbare Bastion bilden als eine schnelle Reaktion auf größere Angriffe ermöglichen. So dämmte der im 2. Jahrhundert zwischen Rhein und Donau auf 550 Kilometer aufgespannte Palisadenzaun Raubzüge von Germanen ein. Weil aber im römischen Weltbild Grenzen keine Rolle spielten, sperrte er kein nationales Territorium ab; überdies war Rom inklusiv und nahm immer wieder »barbarische« Migranten auf, versklavte sie aber auch gerne.

Ökonomische Kontrolle war auch die Funktion der alten Berliner Zollmauer. Der Stadtwall erfüllte bis Mitte des 19. Jahrhunderts den Zweck, den Warenverkehr zu regulieren.

Im europäischen Mittelalter blieben die territorialen Außengrenzen weitestgehend ungesichert. Aber Mauern wurden unter dem Eindruck eindringender Ungarn und Wikinger um Städte und Klöster gezogen. In Burgen schützten sich Adlige vor allem vor ihresgleichen. Eine Vorstellung von Staat und Nation als präzise abgestecktes Gebiet bildete sich erst in der Neuzeit heraus. Deshalb sind durchgängige Mauerwerke und Grenzen abriegelnde Bollwerke, in denen sich Militär verbarrikadierte, ein Phänomen der Moderne. Wo sie in etlichen Kriegen entweder geschleift oder umgangen wurden.