Sozialer Wohnungsbau

Es geht auch ohne Wohnungsnot

Seite 5 – Dramatischer Imageverlust
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Die Reaktion der Neuen Heimat war, natürlich auch auf Druck von Bewohnerinitiativen, Partizipationsmöglichkeiten einzurichten: Der vom Konzern selber in Auftrag gegebenen Film »Hohe Häuser, lange Schatten« (1968) beispielsweise dokumentiert Entstehung und Tätigkeit der organisierten Interessenvertretung der Bewohner der Siedlung Darmstadt-Kranichheim; die Neue Heimat unterstützte in allen ihren Großsiedlungen die Wahl von Mieterbeiräten, ermöglichte Gemeinschaftseinrichtungen und finanzierte unabhängige Mieterzeitungen.

All das aber konnte den Imageverlust im Verlauf der siebziger Jahre nicht verhindern. Negative soziale Homogenisierung in den Blöcken mit den günstigen Wohnungen setzten den Projekten der Neuen Heimat zu: Die, die ihre Arbeitsplätze in Stahlwerken, Glashütten, Werften oder auch in der niedergehenden Bekleidungsindustrie verloren, mussten bleiben, die Akademikerfamilien hingegen nutzten die in ­jenen Jahren stark ausgeweitete staatliche Eigenheimförderung, um sich zu verabschieden. Der allmählich ­finanziell kränkelnde Konzern hielt jedoch an seiner expansiven Strategie fest und beförderte zu Beginn des Jahrzehnts die sogenannte Flächen­sanierung, sprich das Bestreben, alte, meist ziemlich heruntergekommene Stadtteile durch Neubauviertel zu ersetzen – eine Strategie, die viele nicht zu Unrecht gegen die Neue Heimat aufbrachte, die jedoch auch die Prügel für eine Vielzahl privater Investoren mit einstecken musste, die ähnliche Ziele verfolgten.

1975 war diese Strategie mit der Einführung des Denkmalschutzes ohnehin gegenstandslos geworden. Das Ende, das dann mit dem vom Spiegel 1982 aufgedeckten Immobilienbetrügereien von Neue-Heimat-Vorstandsmit­gliedern auch kommen sollte, begann sich abzuzeichnen: Der Konzern brauchte permanentes Wachstum, um Gemeinnützigkeit und Profitabilität miteinander zu vereinbaren; als seine Expansion sich verlangsamte, teilweise ganz ins Stocken geriet, kollabierte der damals größte Kreditnehmer und Hypothekenschuldner der Bundesrepublik, der über geringes Eigenkapital, aber viele Mitarbeiter verfügte. Dieser skandalträchtige Zusammenbruch öffnete endgültig Tür und Tor für die Deregulierung des Wohnungs- und Immo­bilienmarkts in den achtziger und neunziger Jahren mit der abseh­baren Folge, dass die Wohnungsnot wieder zurück ist – jene soziale Zumutung, der abzuhelfen die gewerkschaftlichen Wohnungsbaugesellschaften einst gegründet worden waren, die heute so bitter fehlen.

Die Neue Heimat (1950–1982). Eine sozialdemokratische Utopie und ihre Bauten. Museum für Hamburgische Geschichte. Bis 6. Oktober