Sun Ras »Space Is the Place« auf Blu-ray

Kosmische Emanzipation

Seite 6 – Gegenentwurf zur kapitalistischen Gesellschaft

The Overseer fordert Sonny Ray zu einem Kartenspiel heraus, dessen Einsatz in der Zukunft der afroame­rikanischen Community besteht. In einem surrealen menschenleeren Wüstensetting sitzen sich die beiden gegenüber, und während Sun Ra um die kosmische Emanzipation der Schwarzen spielt, für einen Gegenentwurf zur kapitalistischen US-amerikanischen Gesellschaft, sieht The Overseer die Zukunft in einer schwarzen Emanzipation, die die weißen Macht- und Statussymbole übernimmt; er definiert sich vor allem über Frauen, Waffen, Geld und aus­gefallene Autos. Nach diesem ersten Kartenduell springt die Handlung in die damalige Gegenwart, in der Sun Ra unter anderem die beschriebene Begegnung im Community Center hat und danach eine Agentur für Zeitarbeit eröffnet, um unter den Bewerbern diejenigen zu wählen, die mit ihm ins All reisen können.

Die einzigen Weißen, die auftreten, sind zwei sich als Nasa-Mitarbeiter ausgebende FBI-Agenten, die mit Waffengewalt herausfinden sollen, mit welchem Treibstoff Sun Ras Raumschiff angetrieben wird. Nebenbei prügeln sie zwei Prostituierte krankenhausreif und versuchen Sun Ra unter Folter zur Preisgabe der ­gewünschten Informationen zu bewegen: Gefesselt bekommt er über Kopfhörer Dixieland zu hören. Das weiße Amerika hat zumindest in diesem Film seit dem Ende der Sklaverei kaum Fortschritte gemacht, seine Vertreter strafen mit körperlicher Gewalt und wenden Folter an, kein Wunder, dass Sun Ra nur Afroamerikaner auf sein Raumschiff beamt, als er im Finale des Films, einem Konzert des Arkestra, endlich Richtung All aufbricht. In letzter Sekunde, kurz nach dem Start des Raumschiffs explodiert die Erde.

Erst im All kann Sun Ra einen Ort finden, an dem er kein Alien mehr ist, denn im Weltall, so zeigt eine Szene im Film, sind die Grenzen zwischen Hautfarben, Geschlechtern und anderen trennenden Zuordnungen gefallen, alle Außenseiter, ob Mensch oder Alien, haben ihren Platz gefunden. »Die Musik ist hier anders. Die Vibrationen sind anders. Nicht wie Planet Erde. Planet Erde klingt nach Gewehren, Wut, Frust«, sagt Ra im Weltall. »Hier werden wir eine Kolonie für die Schwarzen errichten.« Er ist angekommen in der Gegenwart der Zukunft und vielleicht gibt es ja doch noch eine Hoffnung für die Menschheit. Die letzten Worte im Film jedenfalls lauten: »In a far out place, in space, we’ll wait for you.«

»Space Is the Place« (USA 1974). Regie: John Coney. Blu-ray Disc. (Rapid Eye Movies)