Geflüchtete in Paris

Protest der Papierlosen

Seite 2 – Auf der Straße
Reportage Von

An einer Bushaltestelle am endlos langen Boulevard Ney sitzen mehrere Geflüchtete. Aber sie warten nicht auf den Bus. Die hinter dem Glas angebrachten Sitze bieten ihnen die einzige Sitzmöglichkeit. In der Nähe steht ein großes, graues Gebäude, vor dem sich viele Geflüchtete morgens einfinden, um Kaffee und etwas zu essen zu ­bekommen. Mitarbeiterinnen und Freiwillige von Utopia 56 geben hier jeden Morgen Frühstück aus, häufig die einzige Mahlzeit des Tages für die Geflüchteten.

Schläge statt Papiere. Die Polizei ging äußerst brutal gegen die Protestierenden vor.

Bild:
Reuters / Charles Platiau

Mohammed, ein 23jähriger ­Afghane, erzählt auf Deutsch vom Leben im Camp Wilson. »Es gibt dort jede Nacht Schlägereien. Es ist furchtbar«, seufzt er. Vor acht Monaten sei er mit zwei afghanischen Freunden aus Deutschland geflohen. Ihnen habe die Abschiebung gedroht. Mohamed spricht sehr schnell und gestikuliert, seine Stimme klingt verzweifelt und gleichzeitig wütend: »Und die Leute hier sind so rassistisch.« Es gebe kein Geld, keine Wohnung, da müsse er klauen, für Zigaretten oder Klamotten. »Ich bin Muslim, ich will nicht klauen, aber was soll man sonst machen, um zu überleben?« fragt er empört.

Dalia von Utopia 56, die fließend Deutsch spricht, hört ihm geduldig zu. Sie lächelt und sagt: »Jeden Tag stellen uns die Leute, die hier angekommen sind, 1.000 Fragen. Während des Asylverfahrens stehen ihnen monatlich Geld, eine Wohnung und die Krankenversicherung zu. Und jeden Tag erzählen mir Leute, dass sie keine Wohnung bekommen haben. Zum Beispiel, weil sie zwei Minuten zu spät zum Termin gekommen sind. Oder sie haben ein Wohnheimzimmer und verlieren es, weil sie eine Nacht nicht dort geschlafen haben. Und dann bekommen sie auch das monatliche Geld nicht mehr und verlieren die Krankenversicherung.«