Rassistische Hetzjagd in der DDR

Eine Stadt deckt ihre Täter

Seite 4 – »Ungezügelter Rassismus«

Auf der Demonstration der »Initiative 12. August« hielt unter anderem Paulino Miguel eine Rede, der als ehemaliger Vertragsarbeiter über den »sehr ausgeprägten« Rassismus in der DDR sprach. Er machte deutlich, dass die sogenannte friedliche Revolution für Vertragsarbeiter alles andere als friedlich war. Es sei notwendig, heutzutage der in der DDR gestorbenen ausländischen Arbeiterinnen und Arbeiter zu gedenken, so Miguel.

Zwei Redner der örtlichen Geflüchteteninitiative »Café Internationale« ­geißelten den »ungezügelten Rassismus« auch im heutigen Merseburg. Der Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel (Bündnis 90/Die Grünen) ­begrüßte am Rande der Kundgebung im Gespräch mit der Jungle World, dass »an diesem Tag einmal nicht die ­Mehrheitsgesellschaft zu Wort kommt«. Er bedauerte die durch die Entscheidung der Staatsanwaltschaft vertane »Chance zur Aufklärung«.

Merseburgs Oberbürgermeister Jens Bühligen (CDU) blieb der Veranstaltung hingegen fern. Andreas Bulmeyer, der Pressesprecher der »Initiative 12. August«, sagte, Bühligen habe sich in einer Antwort auf den offenen Brief der Initiative der Sicht der Staatsanwaltschaft angeschlossen – und ein rassistisches Motiv ausgeschlossen. Die Aufstellung einer offiziellen Gedenk­tafel habe der Politiker abgelehnt.

Deswegen improvisierte die Initiative schließlich eine Gedenktafel. Ein stilles Gedenken auf der Neumarktbrücke in Sichtweite der 1983 abgebrannten Diskothek und des Tatorts beendeten die Anwesenden mit dem Niederlegen von Blumen am Flussufer.