Berliner Häuser sollen besetzt werden

»Treffen, austauschen und billig wohnen«

Eine Initiative in Berlin ruft öffentlich dazu auf, Häuser zu besetzen.
Interview Von

Die Berliner Gruppe »#besetzen« (besetzen.noblogs.org) hat sich einiges vorgenommen: Sie ruft öffentlich dazu auf, am 28. September in Berlin Häuser zu besetzen. Das Vorhaben soll im Zuge der Aktionstage »Tu mal wat – reclaim the city« (tumalwat.noblogs.org) stattfinden. Luca Wilmers, die Pressesprecherin von »#besetzen«, hat mit der Jungle World gesprochen.

Weshalb hat sich Ihre Gruppe für die ungewöhnliche Strategie der Besetzungen mit Ansage entschieden?
Wir haben in den vergangenen anderthalb Jahren mehrmals Häuser besetzt. Nach jeder Besetzung gab es Kritik, weil Leute nichts davon wussten und sich nicht vorbereiten und beteiligen konnten. Wir haben uns deshalb gedacht: Ändern wir doch unsere Strategie und kündigen wir die Besetzungen öffentlich an. So können sich Interessierte überlegen, ob, wie und wo sie mitmachen wollen. Unsere Hoffnung ist, dass sich mehr Menschen beteiligen als in der Vergangenheit. So würde mehr Druck entstehen und es wäre schwieri­ger für die Polizei, Häuser zu räumen.

Wie sind die vergangenen Besetzungen ausgegangen?
Es ist gelungen, eine Wohnung in der Großbeerenstraße 17a langfristig zu halten, alle anderen besetzten Häuser wurden gemäß der Berliner Linie innerhalb von 24 Stunden geräumt. Die Solidarität der Nachbarinnen und Nachbarn war stets groß, medial zogen die Besetzungen Kreise. Die materielle Ausbeute war allerdings gering.

Hatten die Besetzungen in Berlin juristische Konsequenzen?
Ja, es laufen über 100 Strafverfahren gegen Leute, die sich an Besetzungen beteiligt haben.

Ihre Gruppe richtet sich zum einen gegen die Verdrängung von Mietern und den Wohnungsnotstand, zum anderen geht es Ihnen auch darum, selbstverwaltete, unkommerzielle Orte zu schaffen. Lassen sich diese beiden Themen ohne weiteres miteinander verbinden?
Wir wollen es versuchen. Der Berliner Senat hat zwar einen »Mietendeckel« verabschiedet, dennoch werden weiterhin Mieterinnen und Mieter zwangsgeräumt. Zugleich sollen verschiedene Projekte wie die »Liebig 34«, die »Meuterei« und das »Syndikat« noch bis Ende des Jahres geräumt werden. Uns geht es darum, mit einem besetzten Haus einen Anstoß für eine alternative Stadtpolitik zu liefern und einen Ort zu bieten, an dem Leute sich treffen und austauschen können – und billig wohnen, wenn es genügend Wohnraum dort gibt. Das wäre nur ein Anfang, aber zumindest ein erster Schritt dahin, sich die Stadt wieder anzueignen.

Die Besetzungen sollen im Zuge der Aktionstage »Tu mal wat« stattfinden. Was soll neben den Besetzungen noch passieren?
Ein Ziel ist es, den Widerstand in Berlin zusammenzuführen und zuzuspitzen. Verschiedene Gruppen und Projekte wollen sich beteiligen, die Bandbreite der geplanten Aktionen reicht von Workshops über Essensangebote auf öffentlichen Plätzen, eine Demonstration, eine Rallye durch die Stadt bis hin zu den Besetzungen.

In jüngster Zeit wurden auch in Köln, Münster und Tübingen Häuser besetzt. Gibt es einen Austausch zwischen Gruppen in verschiedenen Städten?
Teilweise ja. In anderen Fällen solidarisiert man sich, ohne dass direkte Kontakte bestehen, denn wir freuen uns über jede Besetzung, von der wir erfahren. Die Vernetzung muss auf jeden Fall noch vorangetrieben werden.