Meir Javedanfar über die Wahlen zur Knesset und den Konflikt mit dem Iran

»Vielleicht gibt es eine dritte Wahl«

Meir Javedanfar, Dozent für Zeitgenössische Iranische Politik am Interdisziplinären Zentrum in Herzliya, über die Wahlen in Israel und den Konflikt mit dem Iran.
Interview Von

Wird die Demokratie in Israel nach den Parlamentswahlen am 17. September gefährdet sein?
Die internationale US-amerikanische NGO Freedom House und die englischsprachige Wochenzeitung The Economist veröffentlichen jedes Jahr einen Index zur Demokratiefähigkeit der Staaten dieser Welt, für den unter anderem Menschenrechte sowie Presse- und Meinungsfreiheit untersucht werden. Neben perfekten Demokratien, wie zum Beispiel in Skandinavien, gehören einige westliche Staaten, wie die USA, aber auch Israel, zu den sogenannten flawed democracies, den fehlerhaften Demokratien. Und das wird der jüdische Staat auch nach dem 17. September bleiben.

Warum ist Israel keine perfekte Demokratie?
Auch wenn hier freie und faire Wahlen stattfinden, grundlegende bürgerliche Freiheiten existieren und man nicht, wie beispielsweise in der Türkei, Menschenrechte mit Füßen tritt, ist Israel eben kein laizistischer Staat, der eine Trennung zwischen Religion und Politik vorsieht. In keiner echten Demokratie werden Ehegesetze ausschließlich von der Religion bestimmt. Ein weiterer Aspekt ist die Besatzung der Palästinensergebiete. Es stellt sich eher die Frage, ob die Demokratie nach der Wahl weiter untergraben wird.

Wie meinen Sie das?
Mit dem umstrittenen Nationalstaatengesetz war die vorige Regierung schon ziemlich extrem. Rechte Politiker sprechen offen darüber, dass sie im Westjordanland den sogenannten C-Bereich annektieren wollen – die Region in und um Ostjerusalem. Sollte der Ministerpräsident von rechten Parteien ­abhängig sein, um eine Regierung zu bilden, wäre so etwas nicht ausgeschlossen. Außerdem haben diese Parteien mit dem US-Präsidenten Donald Trump einen Partner, der vieles zugunsten der israelischen Rechten entscheiden könnte.

Was sind Ihre Erwartungen für die Wahlen?
Wenn Benjamin Netanyahu erneut die Wahlen gewinnen sollte, dürfte er auch dieses Mal keine Regierung bilden können. Um eine Mehrheit im Parlament zu bekommen, müsste er vor ­allem mit der Partei seines ehemaligen Verteidigungsministers Avigdor Lieberman koalieren. Doch der hat mit dem amtierenden Ministerpräsidenten noch alte Rechnungen zu begleichen. In der vorigen Regierung wurde er von ihm entlassen. Lieberman wird deshalb wohl auf Zeit spielen und darauf warten, dass Netanyahu angeklagt und letztlich aus der Politik entfernt wird. Aber auch der Oppositionsführer ­Benny Gantz vom Bündnis Blau-Weiß düfte es schwer haben, eine Regierung zu bilden. Vielleicht gibt es sogar eine dritte Wahl, es sei denn, die ­Spitzenkandidaten machen eine Kehrtwende.