Gespräch mit Ayad Al-Ani über die Arbeitskämpfe von Crowdworkern und die Flexibilität des digitalen Kapitalismus

»Die Gewerkschaften müssen kooperieren«

Seite 3
Interview Von

Wie reagieren deutsche Gewerkschaften auf dieses neue Feld?
Vor ein paar Jahren machten sie sich große Sorgen, ob da nicht ein neuer Arbeitsmarkt für Crowdworker entsteht, die sich nicht organisieren können.
Wir haben eine Studie dazu gemacht und die Crowdworker bei zwei Plattformen gefragt: Braucht ihr eine Gewerkschaft? Es war faszinierend zu sehen, als diese meinten: »Wir brauchen jemanden, der uns in Arbeitskonflikten berät und unterstützt.« Gleichzeitig haben aber die Crowdworker die Gewerkschaft nicht als Organisationsmacht gesehen. Dies ist jedoch die Logik aller gängigen politischen Institutionen: Je mehr Mitglieder, desto mächtiger und desto mehr politischer Einfluss. Dies verlangt vom Mitglied, quasi immer solidarisch zu sein. Das Individuum tritt zurück. Die Ziele werden top-down definiert, wie in einem Unternehmen. Das haben die Crowdworker abgelehnt. Wenn wir eines können, so offenbar die Meinung, dann uns über soziale Netzwerke selbst  organisieren.
Ein hartgesottener Gewerkschafter, den ich sehr schätze, sagte mir mal über die Crowdworker: Mit denen ist kein politischer Kampf zu gewinnen. Im ersten Augenblick dachte ich: Welcher politische Kampf? Was meint er? Für Gewerkschaften sind Crowdworker also eine schwierige Zielgruppe.

Ähnlich wie sich Unternehmen von McKinsey beraten lassen, holen sich Crowdworker also Hilfe bei Gewerkschaften und lassen sich Anwälte zur Verfügung stellen?
Ja, wobei der Widerspruch ist: Die Gewerkschaft könnte ihnen am meisten helfen, wenn sie sehr mächtig wäre. Es muss also gelingen, dass die Gewerkschaften mit den Selbstorganisationen der Crowdworker kooperieren, vielleicht ihnen auch einen politischen, Aktionsrahmen liefern. Was wir gelernt haben: Die Crowd überschätzt sich oft in politischen Fragen. Es ist eine Sache, sich zu einem Projekt zusammenzutun, aber eine völlig andere, politisch zu agieren. Spannend wäre doch auch die Idee, wenn Gewerkschaften und andere die Crowdworker ­unterstützen könnten, arbeitnehmerfreundliche, genossenschaftliche Plattformen und Start-ups zu bauen. Sie könnten dies nicht immer nur den Investoren zu überlassen, die etwa Genossenschaften kein Geld geben.