Besitzansprüche des deutschen Adels

Der Clan vom Cecilienhof

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Auch eine reichsweite gesetzliche Regelung kam nicht zustande. Also mussten sich die einzelnen Länder mit ihren vormaligen Herrschern vertraglich einigen. Insgesamt wurden 26 solcher Vereinbarungen geschlossen. Im Herbst 1926 einigte sich auch Preußen mit den Hohenzollern. Der Familie fiel der Großteil des Grundes zu, dazu einige Schlösser wie die Burg Hohenzollern bei Sigmaringen (im heutigen Baden-Württemberg). Außerdem erhielten Kronprinz Wilhelm und seine Frau Cecilie ein lebenslanges Wohnrecht im Schloss Cecilienhof. Preußen übernahm 75 Schlösser sowie Gärten und Grundstücke und ei­nige Kunstobjekte. Das Hausarchiv wurde einer gemeinsamen Verwaltung unterstellt.

Ein freundlicher Vertrag, der bis heute gültig wäre, gäbe es nicht zwei weitere historische Daten, die die Angelegenheit verkomplizieren: 1945 und 1990. Mit dem Vorrücken der sowjetischen Armee und dem Sieg über das nationalsozialistische Deutschland fiel ein Großteil der Grundstücke und Schlösser unter die Hoheit der Sowjetunion. Die scherte sich wenig um den Vertrag von 1926 und war nicht unbedingt bekannt für ihr Mitleid mit Monarchen. Sie enteignete die Hohenzollern kurzerhand, weil sie diese als Kriegsverbrecher einstufte. Hinter dem Eisernen Vorhang blieb ein Großteil des Besitzes den Rückgabeforderungen des Clans entzogen.

Im Zuge des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik durch den Vertrag vom 3. Oktober 1990 witterte der Hochadel jedoch eine neue Chance. Nun unterlag der alte Familienbesitz wieder der Jurisdiktion einer bürgerlichen Demokratie, der bekanntlich nichts teurer ist als das Privateigentum. Alle Versuche, an die verlorengegangenen Besitztümer zu kommen, scheiterten jedoch bislang. Die Hohenzollern argumentieren, es gebe »rechtliche Unklarheiten, die unmittelbar aus der Formulierung des Vermögensauseinandersetzungsvertrages folgen«. So zitiert der Tagesspiegel aus einem aktuellen Vergleichsentwurf beider Parteien.

Ob der Vertrag von 1926 heute noch gilt oder die Enteignungen von 1945, hängt maßgeblich an einer Frage. Diese ist jedoch nicht rechtlicher, sondern historischer Natur: Das Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 schließt Entschädigungen aus, wenn der Betroffene dem nationalsozialistischen Regime »erheblichen Vorschub« geleistet hat. Haben die Hohenzollern den Aufstieg der Nazis an die Macht begünstigt? Historiker streiten über diese Frage. Ein Sohn des Kaisers war ein hochrangiger SA-Offizier und verschiedene Familienmitglieder agitierten, wie die meisten Adligen, gegen die Republik, die Herrschaft des Pöbels. Kronprinz Wilhelm gab noch 1932 eine Wahlempfehlung für Hitler ab und verhandelte mit diesem über eine politische Zusammenarbeit. Die konservative Geschichtsauffassung, wonach der Adel gemeinsam mit anderen Rechtskonservativen lediglich versuchte, Hitler einzuhegen, um Schlimmeres zu verhindern, wird inzwischen von den meisten ­Experten als Mythos verworfen. Der Anwalt der Familie sagt jedoch, einen direkten Effekt könne man gar nicht nachweisen. So sei zum Beispiel nicht festzustellen, ob die Wahlempfehlung des Kronprinzen tatsächlich zu mehr Stimmen für die NSDAP geführt habe. Der Kronprinz selbst prahlte hingegen nach der Reichspräsidentenwahl 1932, er habe Hitler zwei Millionen Stimmen eingebracht.

Seit dem ersten Entschädigungsantrag der Familie 1991 sind inzwischen 28 Jahre vergangen. Dass es bald zu einer Einigung kommt, ist zu bezweifeln. Aber was sind schon 30 Jahre gegen mehrere Jahrhunderte monarchischer Herrschaft?