Die Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland stocken

Die Selenskyj-Formel

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Doch Selenskyj entspricht nicht der Karikatur, die einige Nationalisten von ihm zeichnen. Er mag in vielen Fragen moderater auftreten als sein Amtsvorgänger, aber die Grundausrichtung der ukrainischen Politik der vergangenen Jahre stellt er nicht in Frage. Auch er versteht Russland als Aggressor und die Annäherung an den Westen als den einzigen zukunftsträchtigen Weg, zudem weigert er sich, mit den derzeitigen nominellen Machthabern in Donezk und Luhansk zu verhandeln.

Falls die russische Regierung erwartet haben sollte, es mit Selenskyj leicht zu haben, ist sie enttäuscht worden. Bereits Mitte September betonte der ukrainische Präsident bei der Konferenz »Yalta European Strategy« in Kiew, dass es Wahlen im Donbass erst nach dem Abzug der russischen Truppen geben könne.

Gleichzeitig versuchte der ukrainische Außenminister Wadym Prystajko die Erwartungen der Europäer zu dämpfen. »Ständig wollen die westlichen Partner sogenannte Fortschritte sehen. Ich hoffe, dass sie auf die Russen auch so einen Druck ausüben«, sagte er am Rande des Jalta-Forums dem vom US-Kongress finanzierten Sender Radio Free Europe/Radio Liberty. Er habe die Sorge, der ungeduldige Westen werde die Ukraine zu einem schlechten Abkommen drängen.

»Wir werden kein ukrainisches Territorium aufgeben und haben den Russen weitere rote Linien übermittelt«, ergänzte er kurz darauf in einem Interview mit der Welt. »Wir werden nicht hinnehmen, dass Russland seine Herrschaft in Teilen ukrainischen Terri­toriums verfestigt, wie dies in Moldawien mit Transnistrien geschehen ist.« Auch eine Föderalisierung der Ukraine schloss er kürzlich aus.

Am 18. September scheiterten die Vorverhandlungen zwischen ukrainischen und russischen Vertretern in Minsk dann auch zunächst. Die russische Regierung hatte erneut eine schriftliche Einigung über die »Steinmeier-Formel« gefordert. Die ukrainische Seite erklärte, Wahlen seien nur akzeptabel, wenn alle ausländischen Truppen mit ihren Waffen das Hoheitsgebiet der Ukraine verlassen hätten und ukrainische Parteien, Medien und ausländische Beobachter sich im Donbass frei betätigen dürften. Ein Gipfeltreffen soll es frühestens im Oktober geben.