Proteste und Verhaftungswelle in Ägypten

Der General ist nervös

Erstmals seit Jahren ist es in Ägypten wieder zu Straßenprotesten gekommen. Das Regime reagiert mit einer Verhaftungswelle.

Als am 20. September weltweit Millionen Menschen für mehr Klimaschutz demonstrierten, zogen auch in Ägypten Tausende durch die Straßen – zum ersten Mal seit Jahren. Um Klimaschutz ging es allerdings nicht, und mit den fröhlich-bunten Veranstaltungen in Melbourne, New York City oder Berlin hatten die spontanen Proteste nichts gemein. Sie richteten sich gegen den Präsidenten Abd al-Fattah al-Sisi.

Auf dem Tahrir-Platz in Kairo, der 2011 das Zentrum der Proteste von Millionen Demonstranten gewesen war, die zur Absetzung des langjährigen Diktators Hosni Mubarak führten, kamen Berichten im Internet zufolge nur eine Handvoll Menschen zusammen, die sofort festgenommen wurden. Ein aus einem Fenster heraus gefilmtes Video zeigt, wie kleine Gruppen von Menschen durch die Straßen der Kairoer Innenstadt flüchten. In den Armenvierteln von Kairo, in Alexandria sowie in den Arbeiterstädten Suez und Mahalla beteiligten sich laut Internetberichten Tausende an den Protesten und riefen Slogans, die schon 2011 durch die Straßen gehallt waren, etwa: »Das Volk will den Sturz des Regimes!« Im Netz kursieren anonyme Videos, die zeigen, wie Hunderte zumeist junger Männer durch die Straßen laufen, Banner mit Porträts al-Sisis herunterreißen und darauf herumtrampeln.

Die Zahl der Protestierenden mag gering erscheinen, doch in al-Sisis Ägypten ist jedes Aufbegehren ein Aufstand gegen die Diktatur. »Weißt du, was es bedeutet, gegen al-Sisi zu protestieren?« fragte ein Kommentator auf Twitter. »Das ist außergewöhnlicher Mut, die Definition von Mut selbst.«

2013 hatte General al-Sisi durch einen Militärputsch den gewählten Präsidenten, dem Muslimbruder Mohammed Mursi, gestürzt – bejubelt von weiten Teilen der Bevölkerung, weil Mursi begonnen hatte, ein autoritäres Regime aufzubauen. Doch schnell zeifte sich wie al-Sisi das Land zu führen gedachte: Bei der Auflösung eines islamistischen Protestlagers wurden mehr als 800 Menschen getötet. Die Repression trifft mit großer Härte auch säkulare Oppositionelle. Derzeit sitzen Zehntausende politische Gefangene im Gefäng­nis, Folter ist an der Tagesordnung, ein kritischer Kommentar im Internet genügt, um verhaftet zu werden oder spurlos zu verschwinden. Manchmal reicht es auch, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.