Proteste und Verhaftungswelle in Ägypten

Der General ist nervös

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Al-Sisi bangt um seine Macht. Enge Vertraute und hohe Militärbefehlshaber werden sofort verhaftet, wenn er glaubt, dass sie ihm gefährlich werden könnten. Der Präsident plant, den Regierungssitz in eine neue Hauptstadt in der Wüste zu verlegen, weit weg von Kairo mit seinen unberechenbaren Massen. Er hat gute Gründe, deren Unmut zu fürchten: Die angekündigte Belebung der Wirtschaft ist ausgeblieben, die neoliberalen Reformen, die nach 2011 ausgesetzt wurden, sind wieder im Gange und erhöhen die soziale Ungleichheit.

Der Auslöser der jüngsten Proteste kam jedoch von unterwarteter Seite: Mohammed Ali, Bauunternehmer und einst Schauspieler, begann Anfang September, auf Youtube Videos zu veröffentlichen, in denen er al-Sisi scharf angriff. Ali hat selbst lange mit dem Präsidenten und dem Militär zusammengearbeitet. Dabei wurde er wohl betrogen. Nun zeigt er sich mit weit geöffnetem weißen Hemd im spanischen Exil vor der Kamera und möchte sich so rächen. Es meldeten sich weitere Quellen aus dem Militär und den Geheimdiensten, die die Vorwürfe größtenteils bestätigten und weitere hinzufügten. Trotz der Überwachung des Internets wurden Alis Videos millionenfach geklickt, und Ali rief zu Demonstrationen nach einem Fußballspiel zwischen den Vereinen Zamalek und al-Ahly am 20. September auf.

Die Proteste hielten freitags und samstags an, am darauffolgenden Freitag kam es erneut zu kleineren Protesten, trotz rigoroser Gegenmaßnahmen. Al-Sisi ließ fast die gesamte Kairoer Innenstadt für den Verkehr sperren, Polizei und Militär kontrollierten die Straßen. Auf die Proteste folgte die größte Verhaftungswelle seit al-Sisis Amtsantritt. Über 2 000 Festnahmen meldete das Ägyptische Zentrum für ökonomische und soziale Rechte, darunter fast alle bekannten Aktivistinnen und Aktivisten, die noch nicht geflohen oder im Gefängnis sind, aber auch Professoren der Kairoer Universität, Journalistinnen, Anwälte und Menschen, die willkürlich auf der Straße aufgegriffen wurden.

Der bekannte Blogger Alaa Abd al-Fattah, der kürzlich erst nach einer fünfjährigen Haftstrafe freigelassen worden war und die Nächte seither weiterhin in einer Polizeiwache verbringen musste, wurde am 29. September nicht wie gewohnt morgens freigelassen, sondern ins Hochsicherheitsgefängnis Tora überführt. Auch sein Anwalt wurde festgenommen. Alaas Familie berichtete von Schlägen und Misshandlungen bei der Ankunft im Gefängnis. Am 12. Oktober wurde Esraa Abd al-Fattah, ebenfalls eine bekannte Aktivistin, aus dem Auto heraus verhaftet, auch sie berichtete von Folter im Gefängnis. Im Präsidentenpalast herrscht offenbar immer noch die Angst, dass erneut Aufstände aufflammen könnten.