Der intellektuelle Rechtsextremismus

Die Einflüsterer

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Über die direkte Zusammenarbeit hinaus, versucht die Strömung durch Etablierung eines »Binnenpluralismus« (Kubitschek) eine Brücke zwischen dem bürgerlich-konservativen und dem neonazistischen Lager zu schlagen. Das geschieht insbesondere auf Ver­anstaltungen wie den IfS-Akademien oder der Buchmesse »Zwischentag«. Dort treffen Personen wie die ehemaligen CDU-Politiker Henry Nitzsche oder Martin Hohmann, der mittlerweile für die AfD im Bundestag sitzt, mit NPD-Politikern wie beispielsweise Thor von Waldstein zusammen. Der Binnenpluralismus ist Teil der metapolitischen Grundausrichtung, mit deren Hilfe der Kern des intellektuellen Rechtsextremismus versucht, seinen Einfluss­bereich auf andere rechte ­Strömungen auszudehnen und autoritär-antidemokratische Positionen ­gesellschaftsfähig zu machen. Auch wenn diese Strategie als »metapolitisch« bezeichnet wird, diente sie schon immer einem durch und durch politischen Ziel, nämlich auf verschiedenen Ebenen an der Verwirklichung dessen zu arbeiten, was oft – ebenfalls verharmlosend – »Konservative Revolution« genannt wird.

Das vorrangige Ziel der Rechtsintellektuellen ist es, Einfluss auf gesellschaftliche Debatten zu nehmen und die Einstellungen und Wertvorstell­ungen zunächst des Führungspersonals im eigenen Milieu (inklusive der AfD) und langfristig in der gesamten Bevölkerung zu verändern. Die Rechtsintellektuellen agieren im Hintergrund der AfD-Realpolitik, was der Verharmlosung ihrer Positionen für die Öffentlichkeit zuträglich ist. Sie konzentrieren sich auf langfristig meinungsbildende Themen wie die Geschichtspolitik oder das Staatsverständnis der Strömung. Die Selbstbeschreibung mit ­Begriffen wie »Konservative Revolution« und »Neue Rechte« ist genauso Teil einer kalkulierten Strategie wie die zahlreichen öffentlichkeitswirksam ­inszenierten Skandale von AfD-Politikern, die sich nationalsozialistischer Rhetorik bedienen. Kubitschek beschrieb diese Strategie in der Sezession als Wechselspiel aus Provokation und »Selbstverharmlosung«.

Der offensive Gebrauch von Nazi­jargon erscheint im Kontext dieser Strategie nicht mehr als Tritt ins Fettnäpfchen, sondern muss als geplante Provokation bewertet werden. Durch das regelmäßige Vorstoßen in den ­Bereich des Unsagbaren soll die daraus folgende Diskussion zu einem Grenzfall der Meinungsfreiheit stilisiert werden, um zukünftig einen besseren Stand zu haben. Auch wenn anfangs ein Dementi oder eine Entschuldigung notwendig ist, erscheint das Gesagte nach mehrmaligem Wiederholen als alltäglich – insbesondere dann, wenn die Vorstöße nicht isoliert erfolgen, sondern Politiker aus etablierten Parteien nachziehen. Im Rahmen der Provokation soll eventueller Widerwillen bei den Zuhörenden abgeschwächt werden, indem die eigenen Positionen als harmlos und minoritär dargestellt werden. Die jüngsten Wahlerfolge der AfD zeigen, dass sie mit dieser Strategie bislang durchaus erfolgreich ist.