Im Paragraphendschungel - Recht im linken Alltag

Die Liberalen und das Vermummungs­verbot

Seite 2
Kolumne Von

Zum einen war es die FDP, die das strafrechtliche Vermummungsverbot im Zuge einer sukzessiven Verschärfung des Versammlungsrechts 1989 in einer Koalition mit der Union einführte – nachdem die vorangegangene sozialliberale Koalition das Strafrecht bei Versammlungen deutlich entschärft hatte. Zum anderen ist die FDP auch heutzutage nicht zimperlich, wenn es darum geht, polizeiliche Befugnisse auszuweiten, zu sehen etwa an dem im Dezember verabschiedeten nordrhein-westfälischen Polizeigesetz, das der dortigen Polizei etwa die Online-Durchsuchung von Computern, Tablets oder Smartphones mittels Spionagesoftware erlaubt.

Christian Lindner brachte seine Haltung zu gewaltsamen Protesten in einem nach dem Hamburger G20-Gipfel für die Bild-Zeitung verfassten Gastbeitrag zum Ausdruck: »Die Exzesse in Hamburg haben uns eine Lektion erteilt. Steine auf die Polizei, die brennenden Autos von Azubis und Handwerkern, geplünderte Drogeriemärkte – das war kein Protest gegen das ›System‹, sondern linker Terror gegen uns alle. Es ist Zeit, dass wir uns dagegen wehren.« Um die Gewalt, die einige Demonstranten in Hongkong ausüben, schert Lindner sich nicht, die chinesische Verwaltung dafür umso mehr. Diese verbot auf Grundlage eines alten Notstandsgesetzes die Vermummung im Zuge der Proteste und schuf damit den Anlass für Lindners Aussage. Das Gesetz wurde 1922 verabschiedet. Damals wurde es gegen streikende Seeleute angewendet, ein weiteres Mal 1967, als bei Protesten gegen die Arbeitsbedingungen bei den in der damaligen Kronkolonie ansässigen britischen Unternehmen der Wunsch nach der Eingliederung Hongkongs in die Volksrepublik China laut wurde und es zu gewaltsamen Ausschreitungen kam.

Was als legitimer Freiheitskampf und was als nicht tolerierbare Gewalt gilt, hängt letztlich auch von historischen Umständen ab, und diese können sich ändern. So ist es nun einmal mit dem Recht, auch wenn Juristinnen und Juristen das zumeist nicht gerne hören.