Richard Dawsons Album »2020«

Einmal um den Pudding

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In Interviews verweist Dawson ­bisweilen auf den vielseitigen Rock- und Metal-Sänger Mike Patton ­(bekannt durch die Bands Faith No More und Fantômas) als Inspirationsquelle, wobei Gesang und Musikstil des Briten auf den ersten Blick doch recht verschieden von Pattons Arbeiten sind. Der Ansatz, mit der ­eigenen Stimme an Grenzen zu ­gehen, erscheint allerdings ähnlich, etwa durch die Verwendung von ­Vocodern oder indem Dawson seine Stimmlage ins Falsett wechselt, ohne dies wirklich gut zu können. Auf »2020« erinnern aber auch musikalisch manche Stücke an Mr. Bungle, Pattons erste und experimentellste Band, da Dawsons Kompositionen  oftmals plötzliche Brüche beinhaltet, ob in Rhythmus oder Harmonie oder auch grundlegend stilistisch und atmosphärisch.

Diese Variabilität gründet auf seinem virtuosen Gitarrenspiel, bei dem sich folk picking und verzerrte Gitarrenriffs abwechseln. Zudem kommen noch Orgel- und Synthie-Sounds zum Einsatz. In Kombination mit Dawsons eigen­willigem Gesang kann dies für manche Ohren wohl durchaus anstrengend sein. Daneben gelingt es ihm, geradezu ohrwurmige Refrains zu komponieren. Dem Slogan »I don’t want to go into work this morning« (in »Civil Servant«) möchte man sich gerne anschließen.

Der scharf vorgebrachte Sozialrealismus zieht sich durch das ganze ­Album und handelt von der Gegenwart. Dies muss eigens betont werden, da Dawsons letzte Platte »Peasant« von 2017 vollständig im mittelalter­lichen England spielte und er sich in den Songs verschiedenen historischen und phantastischen Figuren jenes Zeitalters widmete, den Weberinnen und Webern, dem Bettler, dem Herald – oder auch dem Märchen­unhold Oger und dem Gestaltwandler. Insbesondere die Redaktionen der Musikzeitschrift Wire und des Online-Magazins The Quietus, die spezialisiert sind auf avanciertere und radikalere Spielarten des Pop, ­haben das Album gefeiert. Es sollte überraschen, wenn Dawsons »2020« zumindest dort nicht auch auf den vorderen Rängen der Jahrescharts für 2019 auftauchte.

Richard Dawson: 2020 (Domino Records)