Geflüchtete in Griechenland

Elend auf den Inseln

Seite 2

Weitgehend untätig müssen deshalb griechische Behörden und europäische Staaten dieser Tage zuschauen, wie Nacht für Nacht Hunderte Flüchtlinge die Überfahrt wagen. Unklar ist, warum die Zahlen seit September erneut derart gestiegen sind. Fragt man im heillos überfüllten Lager Moria die Neuankömmlinge, mehrheitlich Menschen aus Afghanistan und Syrien, so hört man, dass die Angst vor Abschiebung aus der Türkei sie zu diesem Schritt bewogen habe. Viele hätten schon länger in der Türkei gelebt und versucht, sich eine neue Existenz aufzubauen, seien aber von den Meldungen aufgeschreckt worden, Erdoğans Regierung habe damit begonnen, systematisch Afghanen und Syrer abzuschieben.

Hotspot des Mangels. Der Müll türmt sich, es fehlt an sanitären Anlagen.

Bild:
Thomas von der Osten-Sacken

Zugleich scheinen die Kontrollen auf türkischer Seite, die zeitweilig recht scharf waren, gelockert worden zu sein; daher ist es wieder einfacher, überzusetzen. Das verwundert wenig, will sich doch auch die türkische Regierung ­inzwischen möglichst schnell möglichst vieler Flüchtlinge entledigen und legitimiert sogar ihren gewaltsamen Einmarsch im kurdisch kontrollierten Nordostsyrien damit, dort Platz für drei Millionen syrische Flüchtlinge aus der Türkei schaffen zu wollen.

Für die türkische Regierung sind die Flüchtlinge Last und Gewinn zugleich. Erdoğan weiß genau, dass die EU zu vielen Zugeständnissen bereit ist, wenn die Türkei dafür verhindert, dass Flüchtlinge aus ihrem Territorium in die EU gelangen. Es liegt seither an Erdoğans Regierung, zu entscheiden, ob sich die Situation des Jahres 2015 wiederholt oder nicht. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit drohen er und andere AKP-Politiker deshalb offen damit, Flüchtlinge massenhaft in die EU ausreisen zu lassen.

Insbesondere Griechenland, ohnehin schon weitgehend von der EU alleine gelassen, ist den Launen der Politik Erdoğans ausgeliefert. Die konservative Partei Nea Dimokratia hat die jüngsten Wahlen auch mit dem Versprechen gewonnen, einen grundlegenden Wandel in der Flüchtlingspolitik einzuleiten. Bislang allerdings besteht dieser hauptsächlich darin, die ohnehin schon miserable Lage Geflüchteter weiter zu verschlechtern, etwa die bisher gewährte kostenlose Gesundheitsversorgung aufzuheben und das Asylrecht zu verschärfen. Denn außer an die Türkei zu appellieren, kann auch die griechische Regierung nicht viel unternehmen, um zu verhindern, dass erneut jeden Monat Zehntausende ins Land kommen.