Linke Kritik an »Extinction Rebellion«

Im Rausch der Angst

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Roger Hallam, ein britisches XR-Gründungsmitglied, wurde für verschiedene Interviewaussagen häufig kritisiert. Der Zeit sagte der ehemalige Landwirt: »Anders als klassische linke Bewegungen schließen wir niemanden aus, auch jemand, der ein bisschen ­sexistisch oder rassistisch denkt, kann bei uns mitmachen.« In einem Interview mit dem Spiegel meinte Hallam, das Thema Klimawandel sei größer »als die Demokratie, oder wie auch immer Sie das beschreiben wollen, was derzeit noch davon übrig ist«. Zudem behauptete er: »Wenn eine Gesellschaft so unmoralisch handelt, wird Demokratie irrelevant.«

Die Grundannahme von XR, dass der menschlichen Gattung, Tieren und Pflanzen das Aussterben bevorstehe, bestätigen seriöse Klimawissenschaftler so nicht. Wissenschaftliche Modelle, die zeigen sollen, wie Klimaveränderungen zu dem XR zufolge bevorstehenden Massenaussterben führen sollen, gelten als äußerst unwahrscheinlich.

Nicht weniger befremdlich als der bei XR verbreitete Glaube an eine bevorstehende Apokalypse ist mancher Auftritt der Bewegung in der Öffentlichkeit. Nicht selten geht es bei den Aktionen der Gruppe um Blut. In Hamburg wurde bei einer Trauerzeremonie eimerweise Kunstblut beziehungsweise das »Blut der kommenden Generationen« vergossen. In Berlin traten mehrfach die »Red Rebels« auf: in rot gekleidete, weiß geschminkte Menschen, die stumm von Fahnenträgern begleitet marschieren. Sie sollen das Blut bereits ausgestorbener Arten darstellen.

Weniger blutig war der riesige Oktopus, den XR-Mitglieder in London mit sich herumtrugen. Dass es problematisch sein kann, das Tier bei einer Demonstration zu verwenden, ist bekannt. Nicht nur die Nationalsozialisten ­nutzten den Kraken als Symbol für den Juden, der vermeintlich das Weltgeschehen bestimme. Als der deutsche Ab­leger von XR twitterte, auch so einen Kraken haben zu wollen, war ihm der Shitstorm gewiss. Kritiker der Bewegung glaubten, einen Beweis für Antisemitismus bei XR gefunden zu haben. In diesem Fall war dies ein Kurzschluss, denn der Oktopus sollte gar nicht irgendwelche bösen Mächte repräsentieren. Er war vielmehr Teil einer Parade von Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind. Jeanne-Luc, wie das Tier von seinen Machern getauft worden war, war sogar äußerst positiv besetzt. Er sei genderfluid und Repräsentant aller Meereslebewesen, teilte der Künstler Ben Hancocks, der das Tier angefertigt hatte, dem britischen Magazin New Internationalist mit.