Der türkische Einmarsch in Nordsyrien

Statt Vertreibung Unterdrückung

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Noch ist unklar, was das syrische Eingreifen für die türkische Offensive ­bedeutet. Erdoğans Ziel ist es offenbar, mit der Ansiedlung von syrischen Flüchtlingen, sunnitischen Arabern und Turkmenen eine Pufferzone zwischen den kurdischen Siedlungsgebieten in der Türkei und denen in Syrien und, wie zuvor in al-Bab und Afrin, ein von der Türkei kontrolliertes Territorium auf syrischem Boden zu schaffen.

Zum Zeitpunkt der Einigung zwischen Assad und den SDF hatten die türkische Armee und die mit ihr verbündeten syrischen Milizionäre erst etwas mehr als 100 Quadratkilometer unter ihre Kontrolle gebracht. Die von Erdo­ğan geplante Sicherheitszone soll rund 15 000 Quadratkilometer umfassen. Mit den bisherigen Geländegewinnen dürfte Erdoğan nicht zufrieden sein. Assad wiederum will ganz Syrien zurückerobern, also auch Afrin, al-Bab und das Rebellengebiet um Idlib, das unter Erdoğans Protektion steht.

Im Konflikt der Türkei mit dem syrischen Regime und dessen Verbündeten hat Assad nun die kurdischen Milizen an seiner Seite, während Erdoğan sich bereits Hilfstruppen aus der islamistischen und turkmenischen Opposition aufgebaut hat. Möglicherweise setzt Erdoğan auch auf ein Wiedererstarken des »Islamischen Staats«. Putin kann sich als verlässlicher Bündnispartner darstellen – im Gegensatz zu den USA. Deren Rückzug ist zwar schäbig und politisch desaströs, aber in gewisser Weise auch konsequent. Ein politisches Programm für das kurdische Gebiet hatten sie allenfalls in Ansätzen, auf eine Beteiligung der Kurden an einem Friedensprozess haben sie nie gedrungen.