Militär-Salut türkischer Fußballspieler

Der Nationalismus lässt grüßen

Türkische Nationalspieler haben jüngst mit dem Soldatengruß für Schlagzeilen gesorgt. Die Kritik daran hat auch rassistische Untertöne.

Mittlerweile ist er ein integraler Bestandteil des modernen Fußballgeschäfts, der – häufig im Vorhinein einstudierte – emotionale Ausbruch nach dem Torerfolg. Abgeschmackte Jubelposen, Treueschwüre auf den eigenen Verein oder Andeutungen, dass mal wieder Nachwuchs ins Haus stehe, sind nicht nach dem Geschmack eines jeden Zuschauers, aber erlaubt. Entdeckt aber die Uefa oder der Weltverband Fifa in solchen Selbstdarstellungen auch nur einen Hauch von politischer Symbolik, besteht die Gefahr, dass die Verbände harte Maßnahmen ergreifen. Das gilt gleichermaßen für den Protest ge­gen Rassismus wie für die ­Zustimmung zu einer Militäroffensive.

Nach dem Einmarsch türkischer Truppen in den Norden Syriens nutzte die Mehrheit der türkischen Nationalspieler den Torjubel im Länderspiel gegen Albanien, um eine Solidaritätsadresse an »ihre Soldaten« zu senden. Der sogenannte Soldatengruß wurde nicht nur nach dem Siegtreffer gezeigt, sondern auch neben dem Spielfeld und in der Kabine. Die internationale Aufregung war dementsprechend groß.

Allerdings sind nationalistische Bekundungen bei einem Fußballspiel keine Eigenheit der Türkei: Während der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr jubelten die Schweizer Nationalspieler Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri mit ineinander verschlungenen Händen. Die beiden Torschützen zeigten so die Silhouette des ­albanischen Doppelkopfadlers. Die Schweiz spielte gegen Serbien, das Nachbarland Albaniens. Beide Balkanländer sind seit Jahrhunderten verfeindet.

In der derzeitigen Debatte geht es aber nicht um die Frage, ob die strikte Trennung von Sport und Politik illusorisch ist und nur dazu dient, unliebsame politische Äußerungen zu sanktionieren. Die Aufregung über den Soldatengruß ist zumindest hierzulande die Verlängerung einer seit Jahrzehnten geführten Integrationsdebatte. Letztlich geht es immer noch um die Frage, ob der einst als Integrationsvorbild gefeierte Mesut Özil ein Deutscher oder nicht doch ein von Recep Tayyip Erdoğan eingeschmuggeltes trojanisches Fußballpferd ist. Wie einst bei Juden und Sinti handelt es sich aus Sicht vieler Deutscher um Menschen, deren Loyalität man sich nicht ganz sicher sein kann.

Besonders deutlich wird die derzeitige Misere am Beispiel der beiden Bundesligaprofis Kaan Ayhan und Kenan Karaman von Fortuna Düsseldorf. Nachdem die beiden türkischen Nationalspieler in der EM-Qualifikation gegen Albanien nicht nur beim Torjubel salutiert, sondern diese Geste später in der Kabine wiederholt hatten, forderten viele Fans des Bundesligaclubs die Auflösung der Arbeitsverträge, ähnlich wie es der Zweitligaverein St. Pauli im Fall Cenk Şahins getan hatte. Die Vereinsführung entschied sich für einen Kompromiss. Der Sportdirektor Lutz Pfannenstiel ließ verlauten, dass den beiden Spielern »nichts ferner lag, als ein politisches Statement abzugeben«, und im zweiten Qualifi­kationsspiel verzichteten beide Profis – trotz mehrmaliger Aufforderung durch ihre Mitspieler – auf den Jubel.

 

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. »Ein tolles Tor, aber es wäre schön gewesen, wenn du den Soldatengruß gezeigt hättest«, schrieb ein Fan der türkischen Nationalmannschaft auf Ayhans Instagram-Account. »Vor wem oder was hast du Angst?« fragte ein anderer. Aber auch unterschwellig bedrohlich klingende Anfeindungen wie »Du wirst den Soldatengruß noch lernen« musste sich der Abwehrspieler in den sozialen Netzwerken gefallen lassen.

Der türkische Nationaltrainer Şenol Güneş verteidigte nach dem Spiel gegen Albanien den Jubel seiner Spieler auf eine abstruse Art und Weise: »Der militärische Gruß ist kein negatives Verhalten. Wir wollen nicht, dass unsere Soldaten in ein anderes Land einmarschieren«, sagte der 67jährige. Um dann im gleichen Atemzug nachzulegen: »Aber wenn es hier in Frankreich Gewalt gäbe, würden die Franzosen das Gleiche tun wie wir. Das sind Taten des guten Willens, um unsere Soldaten zu ermutigen.«

Wahrscheinlich hätte Güneş sich seines Amtes nicht mehr sicher sein können, wenn er die Politik des türkischen Präsidenten Erdoğans noch härter kritisiert hätte. Weshalb sich jedoch Friedhelm Funkel, der Trainer der Fortuna, derart unkritisch äußerte, bleibt rätselhaft. In Bezug auf Ayhan freue er sich »in erster Linie, dass er ein wichtiges Tor gemacht hat, das die Tür für die Türkei in Richtung Europameisterschaft ganz weit aufgemacht hat«. Das sei phantastisch. »Alles andere zählt für mich sowieso nicht«, so der dienstälteste Bundesligatrainer. Abgebrüht nur das eigene Interesse zu verfolgen, sportlich erfolgreich zu sein, egal, was da auch komme, ist jedoch bisher nicht die Einstellung des Rheinländers gewesen.

St. Paulis Trainer Jos Luhukay bekräftigte dagegen noch einmal die Freistellung von Cenk Şahin. Der 25jährige Mittelfeldspieler hatte in einem Instagram-Post seine Unterstützung für die türkische Militäroffensive bekundet. Şahin hält sich nun bis auf weiteres bei Başakşehir FK in Istanbul fit. Der Club gilt als das »Team des Sultans«, also des türkischen Präsidenten. 2014 eröffnete Erdoğan ­persönlich das Stadion von Başakşehir. Der Präsident des Vereins ist ein Schwiegersohn von Erdoğans Schwager. Bei Spielen gegen Verei­ne, die der Opposition nahestehen, wie Galatasaray, ruft Erdoğan, der seinen politischen Aufstieg als Oberbürgermeister von Istanbul begann, seine Anhänger dazu auf, ins Stadion zu gehen.

Aber es ist eben alles nicht einfach. Davon auszugehen, dass Anhänger jener Vereine in der Türkei, die der Opposition und da vor allem den Kemalisten nahestehen, nicht empfänglich für nationalistische Rhetorik wären, wäre ein Fehler. 2015 beispielsweise hatte der damalige deutsche Nationalspieler Lukas Podolski ein Foto von sich, ­salutierend vor einer Türkei-Fahne, bei Instagram gepostet. Der damalige Spieler von Galatasaray schrieb da­zu: »Ich bin mit euch, Soldaten, die für die Flagge gefallen sind. Mein Beileid an das türkische Volk.« Nach heftiger Kritik in Deutschland distanzierte er sich jedoch von diesem Posting. Im Februar vergangenen Jahres salutierte Emmanuel Adebayor, ehemalige Weltklassestürmer und damals Spieler von Başakşehir FK im Spiel gegen Trabzonspor mit dem Soldatengruß. Dafür erhielt er Applaus, nicht nur von seinen eigenen Fans, sondern auch von denen des Gegners.