Russlands Comeback als Großmacht

Ein blutiger Betrug

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Der Zynismus der Realpolitik

„Realpolitisch“ könnte man ja nun auf die Idee kommen – und mal sehen, wer das als erstes in den Raum stellen wird –, das Geschäft im Nahen Osten auch ganz offiziell einfach Putin zu überlassen, beherrscht er doch offensichtlich die Sprache der örtlichen Herrscher perfekt. Der Zar weiß, wie man fachgerecht droht, und man nimmt ihn dabei sehr ernst, und wenn der Zar systematisch Krankenhäuser bombardieren lässt, interessiert das auch niemanden wirklich. Da hatten es die USA tatsächlich immer etwas schwieriger. Ihrem Imperium wurde in ganz anderer Weise auf die Finger geschaut, aber hier sind wir wieder beim Problem der Geltung universaler Werte. Putin hat eben auch deswegen Narrenfreiheit, weil man weltweit gar nichts anderes erwartet, als dass ihn Moral nun überhaupt nicht interessiert.

Realpolitik wird dabei dennoch nur zum müden Zynismus, denn das grundlegende Problem der Region kann auch ein Putin nicht wegbomben: Die kaputten Staaten der Region, allen voran das völlig ruinierte Souriya al-Assad“, bieten Menschen keine Lebensperspektive. Und wer sollte gar freiwillig in dieses Schlachthaus zurückkehren wollen? Erdogan fordert nun, die syrische Armee solle sich aus den Grenzstädten wieder zurückziehen, die sie nach dem Abkommen mit den Kurden zumindest symbolisch wieder übernommen hat. Denn kaum kein syrischer Flüchtling wird in eine solche „Schutzzone“ ziehen wollen. Eine neue Untersuchung zeigt einmal mehr, welches Schicksal den wenigen Rückkehrern in Assads Herrschaftsbereich blüht. Wir reden über ein Land, in dem zehntausende Menschen einfach verschwunden sind, und in dem es eine Gefängnisbevölkerung von weit über 100.000 Menschen gibt.

Die USA haben Putin das Feld überlassen, und Putin hat Assad das Überleben ermöglicht und kann nun bestimmen, wo welche Einflussgrenzen verlaufen. Aber Putin kann Assads Trümmerhaufen nicht wieder aufbauen. Dafür bräuchte er die Europäer. Da kommt noch was.

Dieser Beitrag ist zuerst auf Mena-Watch erschienen.