Proteste gegen eine Goldmine in der Türkei

Aufstand in den Gänsebergen

Seite 3

Neues Glück auf dem Land

15 Minuten Fußmarsch vom Tor des Minengeländes entfernt liegt ein Zeltlager der Protestbewegung, die hier »Mahnwachen für sauberes Wasser und ein reines Gewissen« abhält. Umweltschützerinnen und -schützer besetzten Ende Juni einen Rastplatz und richteten sich in Zelten ein. Mittlerweile leben 30 Minengegner dort permanent. Sie besetzten ein leerstehendes einstöckiges Gebäude, das als Küche, Aufenthaltsraum und Lager dient. 

Einige kommen wegen der guten Luft, andere wegen des Goldes. Die »Gänseberge« in der türkischen Provinz Çanakkale.

Bild:
Sabine Küper-Büsch

Füsün Kayra kommt auf Cem Birder zu und nimmt freudig einen Kanister Olivenöl als Spende entgegen. Die professionelle Köchin leitet die Küchenarbeit, beeilt sich aber zu unterstreichen, dass sie nicht allein zum Kochen hergekommen sei. Die resolute Frau um die 40 kam vor zwei Jahren aus der Küstenstadt Bodrum und ließ sich in einem Dorf in Bayramiç nieder. Früher leitete sie Großküchen auf Kreuzfahrtschiffen. Sie setzt sich an einen großen Holztisch und schneidet Gemüse. »Ich habe eine Gemeinschaftsküche in einem Frauenkollektiv gegründet. Deswegen bin ich hierhergezogen. Dann schloss ich mich im Sommer den Protesten an. Wenn ich wieder Zeit finde, werden wir einen Ökohof gründen und dort Bioprodukte produzieren, gut verkäufliche Waren wie Likör, Marmelade und vieles mehr, das die Frauen im Dorf produzieren«, erzählt sie.

Birder sieht den vermehrten Zuzug von Städtern als eine Folge der Gezi-Proteste. »Seit fünf Jahren kommen viel mehr junge Leute in die Gänseberge. Das gab es noch nicht, als ich vor zehn Jahren hier ankam. Da war ich 45 Jahre alt. Die Zugereisten waren alle in meinem Alter. Jetzt kommen junge Leute bereits nach dem Universitätsabschluss. Das hat etwas mit der Gezi-Bewegung zu tun. Sie suchen hier nach neuen Lebensmodellen. Ich glaube, dass diese junge, urban sozialisierte Generation in Zukunft spannende Impulse für das Leben auf dem Land geben wird.« 

Es gibt bereits interessante Synergieeffekte. Obwohl Kayra als Köchin ­ausgebildet wurde, kennt sie nach eigener Aussage viele der Geheimnisse der anatolischen Landküche nicht: »Die Dorffrauen binden und konservieren Pekmez, das ist Weintraubensirup, durch einen langen Einkochprozess und die Zugabe einer geringen Menge einer bestimmten Erde.« Daraus entstehe ein einzigartiger natürlicher Zuckerersatz, der mit Sesampaste zusammen auch als Brotaufstrich dient. Pekmez ist zwar ein in der gesamten Türkei verbreitetes, auch industriell hergestelltes Lebensmittel, aber so ­naturrein wie auf dem Land wird er nirgendwo produziert. »Wir müssen ­diese Produkte richtig vermarkten und in den Städten verkaufen«, sagt Kayra.