Endspurt zum SPD-Vorsitz

Auf zum letzten Gefecht

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Dazu passt, dass der gescheiterte Kanzlerkandidat Schulz nun im Spiegel für Scholz als seinen Nachnach­folger im Parteivorsitz wirbt – in einem gemeinsamen Interview. Schulz begründet das ausgerechnet mit genau jener Koalition mit den Unionsparteien, die er noch am Wahlabend und den ersten Wochen danach vehement abgelehnt und definitiv ausgeschlossen hatte: Er halte »es für fahrlässig, eine Debatte darüber zu führen, ob die SPD aus der Regierung aussteigen soll«, sagte er nun. Das dürfe auf keinen Fall geschehen. Da vertraue Schulz Scholz mehr als den anderen Bewerbern. »Diese Unterstützung ist mir wichtig«, bedankte sich der Vizekanzler artig.

Von dem Wahlsieg Gerhard Schröders 1998 bis zur Schulz-Schlappe 2017 hat die SPD mehr als 10,6 Millionen Wähler verloren. Daran trägt Olaf Scholz, der seit 2001 in verschiedenen Funktionen dem Parteivorstand angehört, einige Mitverantwortung – angefangen von seiner Zeit als SPD-Generalsekretär zwischen 2002 und 2004, in der er erbarmungslos die unsoziale Agenda 2010 verteidigte. Es gebe »in Deutschland eine gewaltige Umverteilung von oben nach unten«, behauptete er damals – obwohl das Gegenteil der Wahrheit entsprach. Auf etlichen Regionalkonferenzen wurde Scholz mit Fragen nach Hartz IV konfrontiert – und wich ihnen ebenso aus wie denen nach der »schwarzen Null«, an der er dogmatisch festhält, obwohl es ökonomischer Unsinn ist. »Der Finanzminister, der Mut für eine entscheidende Tugend in der Politik hält, antwortet feige einfach gar nicht«, konstatierte das nicht gerade als linksradikal verschriene Handelsblatt.

Auf Bundesebene erreicht die SPD in den aktuellen Umfragen Zustimmungswerte zwischen 13 und 16 Prozent. Dabei galten die 20,5 Prozent bei der Bundestagwahl schon als absolutes Desaster. »Wir brauchen eine starke SPD, die sich was traut, die sich auch traut, Wahlen zu gewinnen«, sagte Scholz nach der Verkündung des Ergebnisses der ersten Runde der SPD-Mitgliederbefragung Ende Oktober im Willy-Brandt-Haus. Und keiner hat gelacht. Als wäre es wirklich das Problem der SPD, dass sie sich nicht trauen würde, Wahlen zu gewinnen. Sie kann es schlicht nicht mehr. Die Partei steht am Abgrund, doch Scholz und Geywitz setzen gemeinsam mit dem überwiegenden Teil des Parteiestablishments auf ein »Weiter so«. Wie wenig sie begriffen haben, zeigt das jämmerliche, aber von den SPD-Ministern als großer Erfolg verkaufte Klimapaket der Bundesregierung.

Seit der Bundestagswahl im September 2017 hat die SPD nur noch eine einzige Landtagswahl ohne Einbruch in der Wählergunst überstanden. Das war die Wahl in Niedersachsen einen knappen Monat später, also die in jener kurzen Zwischenperiode, in der die SPD-Führung großmäulig tönte, unter keinen Umständen die Koalition mit der Union fortzusetzen. Seit auch das nur noch Geschichte ist, ist es landauf, landab weiter bergab gegangen, Wahlniederlage reihte sich an Wahlnieder­lage. In Bayern und Hessen im vergangenen Jahr sowie bei der Europawahl im Mai musste die SPD sogar zweistellige Verluste hinnehmen.