Präsidentschaftswahl in Algerien

Bouteflikas langer Arm

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Ein heterogenes Bündnis aus Oppositionsparteien fordert zunächst eine Übergangsperiode, in der neue verfassungsrechtliche Grundregeln erarbeitet werden sollen. Zu diesem Bündnis gehören die beiden konkurrierenden Berberparteien Front Sozialistischer Kräfte (FFS) und Sammlungsbewegung für Kultur und Demokratie (RCD), die ursprünglich trotzkistischen Parteien Arbeiterpartei (PT) und Sozialistische Arbeiterpartei (PST), die von einer Juristin angeführte Kleinpartei Union für Wandel und Fortschritt (UCP) und die ehemaligen kommunistischen Splitterparteien ­Demokratische und Soziale Bewegung (MDS) und Partei für Laizität und ­Demokratie (PLD). Sie alle wollen die Wahlen boykottieren, sollte nicht zuerst eine verfassunggebende Versammlung einberufen werden. Hinzu kommt ein Zusammenschluss von Organisa­tionen der Zivilgesellschaft, darunter Menschenrechtsvereinigungen und unabhängige Gewerkschaften, die nicht dem de facto staatlichen Gewerkschaftsverband UGTA angehören. Letztere rufen dazu auf, sich mit Arbeitskampfmaßnahmen massenhaft an den Oppositionsprotesten zu beteiligen. Einem Streikaufruf für den 28. Oktober folgten zahlreiche Beschäftigte vor ­allem im Bildungswesen, in Krankenhäusern und anderen öffentlichen Diensten.

Die Machthaber wählen sorgsam aus, wer zur Präsidentschaftswahl zugelassen wird. Im Oktober hatten 115 Personen ihr Interesse angemeldet, 23 bewarben sich. Die Wahlbehörde ließ jedoch nur fünf Bewerber zu, wie am Samstag bekannt wurde. Zwei von ihnen, Ali Benflis und Abdelmadjid Tebboune, sind ehemalige Premierminister Bouteflikas, ein dritter, Azzedine Mihoubi, war bis März sein Kulturminister. Hinzu kommen Abdelaziz Belaïd, ein Funktionär der regimenahen Kleinpartei Front al-Moustakbal, die sich von der de facto als Staatspartei fungierenden Nationale Befreiungsfront (FLN) abgespalten hat, und der Islamist Abdelkader Bengrina, von 1997 bis 1999 Tourismusminister unter Bouteflika. Bengrina zählt zur Parlamentsfraktion, die aus den drei islamistischen Parteien al-Bina (Aufbau), al-Nahda (Renaissance) und Adala (Gerechtigkeit) gebildet wurde.

Bereits am 10. Juli hatten die Abgeordneten der beiden Staatsparteien FLN und Nationale demokratische Sammlung (RND), die 1997 aus einer FLN-Abspaltung entstand, einen Vertreter der islamistischen Fraktion, Slimane Chenine, zum Präsidenten der Nationalversammlung gekürt, obwohl die Fraktion nur 15 der 462 Sitze innehat. Offensichtlich sind die Regierenden darum bemüht, eine islamistische Fraktion als ins System eingegliederte Opposition beizubehalten und zu stärken, gleichzeitig jedoch unter Kontrolle zu behalten.